Was ist Psychose? TEIL II


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…Dann lernte ich Nicole kennen, ich verliebte mich in sie und wenn ich heute ein Bild von ihr betrachte, muss ich immer noch sagen; sie ist die Schönste, die ich je kennen gelernt habe. Aber sie wollte nichts von mir! Der Hass wurde grösser. Ich bekam einen Kopfdruck, den ich nicht beschreiben kann. Er war unangenehm. Ich ging auf Partys und wenn es schön war bekam ich diesen Druck. Ich hatte keinen Alkohol getrunken. Eines Tages schlug ich wieder meinen Kopf gegen eine Wand. Einer meiner Freunde,

Heiko, bat mich, mir Hilfe zu suchen. Irgendwann gestand ich meiner Mutter, um das bla, bla, bla… nicht mehr hören zu müssen, dass ich Stimmen höre.
Mein erster Klinikaufenthalt war in Schussenried, am Anfang des zweiten Lehrjahres. Ich wandte mich dunklen Mächten zu. Ich interessierte mich für Hexen. Ich las das Buch: Wir wollen nur eure Seele. Ich las ein Buch über den „wieka“ Glaube. Meine Mutter durchsuchte immer mein Zimmer und alles musste dokumentiert werden. Sie las die Titel von CD‘s und meinte, ich sei Satanist. Ich fand meine Bestimmung!
Selbstmordversuch, die Erste! Das neue Jahr begann und ich hatte ein Auto. Ich stand unter dem Einfluss von Medikamenten. Dann fing der Druck wieder an. Ich lief noch der Nicole hinterher und an Fasching war ich auf einem doofen Umzug. Irgendwann war mir das zu viel. Am Umzugsort ging ich in meine Stammkneipe. Ich redete wieder mit mir selbst und das Wortgefecht ging los. Der Gedanke: „Bring dich um!“, meine Antwort: „Nein“. Der Gedanke: „Du bist zu feige“, meine Antwort: „Nein, das bin ich nicht“. Das Ganze ging eine Weile hin und her. Ich dachte „Ich zeige es dir“ und nahm alle Risperdal-Tabletten ein, die ich hatte.
Ein Todeserlebnis! (nur zur Info: das weiße Licht sieht man nur, wenn man gerettet wird). Was passiert wirklich? Du gehst zu allen Leuten, die dir wichtig sind. Dann stehst du neben deinem Körper, eine Stimme bittet dich mit ihr zu gehen. Du verlässt den Ort. Läufst jemandem nach, wenn du das erlebst hast du keine Angst, kein Schmerz, etwas zieht dich weg! Du vertraust dieser netten Person, läufst ihr nach, solange du nicht weit genug von deinem Körper weg bist. Solange können dich die Ärzte retten, es können Sekunden oder Minuten sein!

Das zweite Mal Schussenried! Das dritte Lehrjahr. Ich war ständig müde. Mir fiel es sehr schwer in der Geschwindigkeit zu arbeiten, die verlangt worden war. Jeden Tag wurde ich von meinem Chef angeschissen! Meine Mutter fragte mich jeden Tag: „Nimmst du Drogen?“ Irgendwann habe ich ihre Anschuldigungen satt gehabt und nahm endlich welche. Die schriftliche Prüfung in der theoretischen Gesellenprüfung war ein Multiple-Choice-Test. Ich hatte zehn Fragen zu beantworten. Ich lese die erste Frage und mir fällt das Lesen schwer! Nicht durch die Medikamente, sondern wegen der Legasthenie. Ich schaute mir die Blätter an und dann setzte ich einfach auf gut Glück und kreuzte die Antworten an. Fünfzig : Fünfzig war die Chance, ich bestand! An die praktische Gesellenprüfung erinnere ich mich nicht mehr genau. In meiner Einbildung hatte ich ein Patentrezept. Ich hatte kein Berichtsheft geführt, weil mein Chef es anders wollte, als ich es schrieb. Die Prüfung hatte schon angefangen, ich sollte es fertig machen und schaffte es nicht. Das Ende vom Lied war, ich bekam keinen Gesellenbrief! Durch die Kulanz der Junior-Chefin des Prüfungsteams, habe ich dann doch noch bestanden.

Mein Chef sagte: „Drei Jahre machst du, bei uns ein halbes Jahr länger!“
Doch zwei Monate nach der Prüfung wurde mir wegen mangelndem Arbeitsinteresse gekündigt. Ich war meinem Chef zu langsam beim Glasieren und ich hätte mir keine Mühe gegeben.
Meine Mutter sagte nach der Prüfung: „Zieh endlich aus!“ Die Senior-Chefin meinte, ich soll meine Probleme nicht mit in die Arbeit nehmen. Also ging ich aufs Arbeitsamt und meldete mich arbeitssuchend. Meine Bitte, nicht mehr als Bäcker arbeiten zu müssen, wurde abgelehnt, da ich keine andere Tätigkeiten könne. Die Antwort „Nein, sie sind Bäcker, es gibt einen Berufsschutz und ich müsse als Bäcker arbeiten.“ Ich arbeitete dann wieder als Bäcker in Pfullendorf. Ich trank keinen Alkohol, nahm keine Drogen. Ich durfte an den Ofen, ich war zu langsam. Die Kuchen, die kaputt gingen, weil sie nicht auf meinen Schieber richtig drauf kamen, musste ich bezahlen!! Das war ein paar Mal (öfters) der Fall. Kündigung!
Anschließend hatte ich mich in Allensbach beworben. Die Stelle habe ich bekommen, aber die Behandlung hatte ich abgebrochen. Ich lernte neue Leute kennen, ein paar Spaßvögel mischten mir Alkohol in meine Cola. Andere wollten Party machen und ich wollte das auch, leider habe ich mich dazu hinreißen lassen, diese Idioten, ich habe es selber getrunken, aber was macht man nicht alles, um dazu zu gehören. Heute kann er mich nicht mehr leiden.
Eines Tages, ein Arbeitskollege, der nur mit Bier ruhigzustellen war, ich hatte ihm an diesem Tag kein Bier mitgebracht, hackte auf mir herum, also ging ich. Drei Monate Arbeitslosensperre folgten, also bin ich zum Sozialamt gegangen. Das Sozialamt gab mir aber nur einen Fünfziger und das auch erst nach dem ersten Monat, bis dahin habe ich mein Essen aus dem Abfallcontainer einer Bäckerei geklaut. Manchmal habe ich bis 3-4 Tage nichts gegessen. Manchmal habe ich Pfandflaschen gefunden und hatte dann genug für einen Toast, der damals noch ca. 0,30 € kostete. Als das Sozialamt keine Zuschläge zahlte, hatte ich nicht genug Geld, um meine Miete zu bezahlen, weil das Geld gerade fürs Essen reichte. Mein Auto wurde mir auch weggenommen! Der Strom wurde mir auch abgestellt. Ich hörte wieder Stimmen! Durch die Spaßvögel und meine Schwäche nahm ich Drogen, die Stimmen verschwanden! Ich kannte jemanden, der hatte in einer WG ein Zimmer. Dort lebte er mit einem Freund zusammen, wir tauschten die Zimmer.

Das Zimmer war nicht groß, aber ich konnte es bezahlen. Die Vermieterin war sehr nett und irgendwann bekam ich dann auch wieder eine Arbeitsstelle. Durch die schlimme Zeit lernte ich das Problem des Stimmen hören mit Drogen in den Griff zu bekommen. Ein Bekannter schenkte mir sein Auto und so konnte ich, da ich in Engen eine neue Chance bekam, mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Ich fand, ich machte gute Arbeit. Mein Chef war sehr zufrieden mit mir. Ich wäre heute noch bei der Firma, wenn ich gesundheitlich stabiler gewesen wäre und nicht einfach abgehauen wäre. Also wurde mir wieder fristlos gekündigt. In derselben Woche fand ich eine neue Arbeit in Hausen an der Aach. Ich verdiente sehr gut, musste aber auch 7 Tage in der Woche arbeiten. Nach ein paar Monaten wurde mir das zu viel, ich machte Fehler bei der Arbeit! Ich gab nicht Bescheid, dass ich nicht mehr könne und ging einfach nicht mehr zur Arbeit. Mein Chef rief mich nach ein paar Tagen an und fragte mich, was los sei. Er überredete mich, wieder zu kommen. Ich blieb noch ca. zwei Monate bis er mich eines Tages an der Hand packte und mich rauszerrte. Zur Info, ich war jeden Tag breit! Zog nach dem Aufstehen an der Bong und rauchte einen zum Schlafen gehen. Manchmal schlief ich auch gar nicht.
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Also war ich wieder arbeitslos! Eigentlich hätte mir Arbeitslosengeld zugestanden, aber ich beantragte Hartz IV. Ehrlich gesagt, Arbeitslosengeld wäre nicht viel mehr gewesen, wegen den Zuschlägen. Ich konnte in den letzten Monaten eine Menge Geld zur Seite legen, um mit den Drogen so weiterzumachen wie gewohnt. Reale Träume! Ich konnte in dieser Zeit nicht zwischen Traum und Phantasie unterscheiden.

Selbstmordversuch, die Zweite! Anfängerfehler: der Schnitt war zu kurz! Eine Einladung zum Amtsarzt folgte. Sein Schreiben war klar und deutlich: „Er kann nicht arbeiten!“ Ich wurde der AWO zugeteilt. Dort drehte ich wieder am Rad und war wieder sehr aggressiv. Meine Fußballkollegen distanzierten sich wegen meinen Aggressionen. Die AWO vermittelte mich ans GpZ, besorgten mir einen Betreuer und schickten mich zum Arzt. Ein langer Bericht folgte. Ich möchte meine Meinung hinzufügen, Psychose, meine Diagnose halluzigene paranoide Schizophrenie, ist eine Gabe, ein Segen! Hab keine Angst vor dem was du siehst, hörst oder fühlst. Psychose ist wie ein Tinnitus, eine ausgeprägte Fantasie. Viele meiner Fantasien wurden wahr. Ich habe trotz meiner Erkrankung, die während meiner Lehre auftrat, etwas erreicht. Ich habe Dinge erreicht, die mir keiner zutraute. In der siebten Klasse sagte mein Vater: „Nein das kannst du nicht! Ich lasse nicht zu, dass du beim Eignungstest für die Realschule durchfällst“. Die neunte Klasse beendete ich mit einem qualifizierenden Hauptschulabschluss. Meine Mutter wollte mich schützen und sagte: „Bitte mach das nicht, wir müssen dich vor der Enttäuschung beschützen.“ Ich hatte nicht bestanden, aber ich war nicht enttäuscht! Meine Fantasie sagte irgendwann: „Du bist ein Träumer, man machte dich lächerlich!“

Mein psychotischer Wahn ist Realität geworden und heute bin ich Klettertrainer. Psychosen sind eine Gabe! Sie können ein Schutz sein, sie können real werden! Gebe nie auf, arbeite und lass die ausgeprägte Fantasie real werden, solange du niemand töten sollst, ist jede Flucht in die Fantasie erlaubt! Lass die Leute sagen, der ist krank, wenn sie es wollen!
Mein Bericht ist etwas durcheinander und verwirrend. Ich habe versucht, so genau zu beschreiben wie es war, aber vieles ist hinter einem Schleier und mit der Zeit verwischt!

Bilder von Uta Herbert / pixelio.de

Bene S.