Online-Sucht


altVon der Sucht im Internet, am Beispiel eines MMORPG

Da stand sie also nun, auf der höchsten Plattform des Tempels, der einstmals den Namen Wyrmruhtempel getragen hatte, und der einst, bevor den Angriffen von Todesschwinge und seinem Schergen stolz die Drachenöde überwacht hatte.

Einst, es schien so lange her zu sein, seitdem der verdorbene Drachenaspekt der Erde, nun bekannt unter dem Namen Todesschwinge, den Kataklysmus hervorgerufen hatte.
Nun war sie bereit, dem verderbten Aspekt der Erde, den Garaus zu machen. Hier stand sie mit ihren Freunden, bereit den Kampf aufzunehmen. Und schon hörte sie das Schlagen der gewaltigen Flügel. Es klang wie Peitschenhiebe in der Luft und dann sah sie Todesschwinge näherkommen …
So ähnlich würde ein Charakter vielleicht seine Begegnung Todesschwinge, dem so genannten Superschurken der aktuellen Erweiterung, beschreiben, wenn es eine reale Person wäre.

altDie Rede ist vom MMORPG (Massively Multiplayer Online Role Play Game, zu Deutsch: Massives Multiplayer Rollenspiel) World of Warcaft.
In Europa sind die Server seit 2005 online geschaltet. In dieser Zeit hat es drei Erweiterungen, so genannte Expansions (so bezeichnet man die kostenpflichten Erweiterungen), gegeben. Aus der aktuellen Cataclysm könnte jene Beschreibung mit dem Raidboss (Raids sind instanzierte Gebiete mit extra starken Gegner und Endbossen) Todesschwinge stammen. Die Welt in der WoW spielt ist im Moment auf 3 Kontinente aufgeteilt, und diese in Zonen. Namentlich heißen diese drei Kontinente Östliche Königreiche, Kalimdor und Nordrend. Es gibt bereits Planungen für eine vierte Expansion, die laut Informationen einen neuen Kontinent einführen wird.
Die Spieler müssen sich für eine der beiden Fraktionen (Allianz und Horde) entscheiden, die beiden stehen sich mehr oder weniger feindlich gegenüber. Das Spiel ist für beide Seiten ziemlich ähnlich, nur ein paar Quests (englisch für Aufgaben) sind unterschiedlich.
Da weitere Erklärungen über den Hintergrund sehr komplex sind, wird an dieser Stelle hier verzichtet. Wer weitere Informationen haben möchte, kann sich auf http://eu.battle.net/wow/de/ und http://eu.battle.net/wow/de/game/ genauer zum Spiel informieren.
altJetzt können wir also frisch ins Spiel einsteigen: Nun, da wir einen gewissen Hintergrund haben, kommen wir zu dem, was das Spiel so süchtig und interessant macht.
Der Spieler sucht sich zuerst eine Fraktion aus, dann eine Rasse und kann dann einen Charakter aus vorgefertigten Aspekten (Haar- und Hautfarbe, Frisur, Accessoires) gestalten, um dem Charakter seine eigene Note zu geben, dann muss noch die so genannte Klasse gewählt werden (es stehen zur Verfügung: Druide, Hexenmeister, Jäger, Krieger, Magier, Paladin, Priester, Schamane, Schurke oder Todesritter – aber nicht alle Klassen stehen allen Völkern zur Verfügung). Dann muss man noch einen Namen wählen und los geht’s.
Wir beginnen unser Dasein in einem kleinen Gebiet und bekommen gleich unsere erste Quest, die uns in das Universum führt. Anfangs sind die benötigten Exp (Abkürzung für altExperience = Erfahrung, die benötigt wird um im Level aufzusteigen) noch gering, so dass wir schon bald aufsteigen und neue Fähigkeiten bekommen. Die ersten zehn Level kann man, wenn man konstant spielt, in etwa 2 Stunden erreichen. Mit Level 10 dürfen wir zum ersten Mal einen Talentpunkt setzen und wir müssen uns spezialisieren (also Heal (= Heiler), Tank (Spieler der die Mobs von Heilern und DDs fernhält) oder DD (Damage Dealer = Spieler der nur „Schaden“ auf die Gegner macht), was je nach Klasse unterschiedlich sein kann). [Da ich Heals bevorzuge, werde ich ab hier den Heal beschreiben]. Als Heal habe ich die Möglichkeit zu Heilig (Gruppenheilung), Disziplin (Heilung und Schaden) und Schatten (nur Schaden). Ich wähle Diszi also Disziplin, da das gut ausgewogen ist und später im Endbereich die beste Heilung erzeugt, wenn man weiß wie’s geht. Nun bekommen wir einen Extrazauber: in unserem Fall, Sühne. Mit Sühne kann ich Verbündete heilen und Gegner verletzten.
Mit Level 13 können wir in BGs (große instanzierte Gebiete, wo man gegen andere Spieler kämpfen kann/muss) gehen und mit Level 15 kann man zum ersten Mal in Instanzen (instanziertes Gebiet mit extra starken Gegnern) gehen, wo wir noch bessere Gegenstände für unser Alter Ego bekommen, die uns noch besser machen.
Unser Charakter bekommt immer bessere Sachen und wir sehen neue Gebiete, die Belohnungen werden besser und beginnen uns auch mehr zu nützen. Außerdem bekommen wir nun neben normalen Gegenständen (im Spiel Items genannt) auch so genannte epische oder noch bessere Gegenstände, die unsere Fähigkeiten verstärken.
Mit Level 20 kann man sogar ein Reittier erwerben. Und mit Level 40 können wir noch schneller reiten. Level 60 erlaubt uns eine Fluglizenz zu erwerben und über die Welt zu fliegen. Mit Level 68 können wir den Kaltwetterflug erlernen, um auch in Nordrend zu fliegen, und bei Level 70 und 80 können wir die Geschwindigkeit mit der wir fliegen können, nochmals erhöhen; also ist das auch ein Anreiz zu leveln und höher zu kommen.
Mit der Zeit leveln wir uns nach oben, bis wir schließlich Level 85 (nach circa mindestens 96 – 120 Spielstunden) erreichen. Nun sind wir erwachsen. Und nun heißt es „Willkommen altim Endspiel“. Wir bekommen keine Exp mehr, dafür mehr Gold. Und wir können jetzt auch die Dailies (täglich immer gleiche Aufgaben) machen. Und wir können, sobald wir die nötige Gegenstandstufe (zusammengerechneter Wert der Ausrüstung) haben, in Heroes gehen. Das sind Spezial auf Level 85 angepasste Instanzen, die heroischen Loot (englisch für Beute) für uns bereithalten. Außerdem gibt es noch das Erfolgssystem, wo man bestimmte Aufgaben, wie 5 mal hintereinander dieselbe Daily machen, und dafür Punkte bekommt. Noch gibt es keine Items die man für diese Punkte „kaufen“ kann, aber was nicht ist, kann ja noch kommen, und da manche, vom Spielern genannte, Meta-Erfolge (Erfolge die mehrere kleinere Erfolge zusammenfassen), Bonustitel wie zum Beispiel „Erkunder“ (wenn man alle Gebiete der Welt erforscht hat), oder einzigartige Haustiere (ja auch die gibt es in WoW) gewähren, ist das natürlich auch interessant diese Titel oder Tier zu erwerben, um sich damit aus der Masse der Spieler herauszuheben.
Man sieht also, das Spiel beginnt mit Level 85 erst richtig. Wir verbessern unsere Ausrüstung und sammeln Gegenstände, die wir im Aktionshaus verkaufen können. Und da Blizzard regelmäßig neue Ideen in das Spiel bringt, wird einem nie langweilig.
Später kann man auch Raids mitmachen (erweiterte Instanzen mit zehn Spielern oder mehr), wo wir den besten Loot des Spiels bekommen können. Außerdem kann man seine Berufe verbessern. Da eine Aufzählung aller Berufe zu viel wäre, verzichte ich an dieser Stelle darauf. Mit Berufen kann man seine Ausrüstung auch verbessern, so dass wir also fast endlose Möglichkeiten haben unser alter Ego noch mächtiger zu machen. Und selbst wenn man alles im Spiel erreicht hat, es dauert nicht lange bis es wieder neues gibt (so wie bald die neue Erweiterung Mists of Pandaria), wo dann alles mehr oder weniger wieder von vorne beginnt: auf Level 90 kommen, Ausrüstung verbessern, neue Dailies, Berufe erweitern.
Das süchtig machende ist also, dass man sich ständig verbessern will und immer mehr vom Spiel und der Lore erfahren will. Außerdem trifft man sich mit anderen Spielern, um gemeinsam was zu machen, man kann sich per Ingame-Chat oder auch Teamspeak unterhalten. Man kann auch einer Gilde (Gruppierung von Spieler mit denselben Interessen) beitreten, was die Gemeinschaft, aber auch die Konkurrenz, fördert.
Das Gefährliche ist, dass man sich nicht mehr aus seiner Wohnung heraus bewegt, weil man sich sagt: „Ich hab doch Kontakt zu anderen Leuten“, man verkümmert. Man sitzt den ganzen Tag vor dem PC und ist begeistert von den Fortschritten die der Charakter macht. Man sagt sich, nur noch das fertig zu machen und dann das und das … und so vergeht die Zeit.

Als ich vor ein paar Jahren begonnen habe, ist es mir genauso ergangen. Ich war gefangen in der Welt, wollte immer besser und besser werden und hing fast den ganzen Tag am PC, nur abends manchmal erst 3 oder 4 Uhr nachts, legte ich mich für ein paar Stunden hin und spätestens gegen 9 war ich wieder am PC. Ich sagte mir, nein, ich bin nicht süchtig. Aber genau das war ich!
Ich wollte immer besser werden und immer mehr von der Geschichte wissen. Und natürlich wollte ich die „raue Wirklichkeit“ vergessen und jemand sein, der etwas erreichen kann, was er im so genannten Real Life nicht tun konnte – und genau das ermöglicht WoW einem. Man kann, besonders im so genannten End Content (also Endspiel) schnell Gold machen. Die Dailies geben im Durchschnitt 20 Gold und man benötigt rund zehn Minuten für eine Aufgabe, so dass man in einer Stunde 120 – 140 oder mehr Gold machen kann, basierend auf dem Loot, den man zusätzlich verkaufen kann. Für Dienste an anderen Spielern (nein, nein, keine sexuellen Dienste – diese sind in WoW unter Bann gestellt), wie z.B. Verzauberungen oder Gegenstände, bekommt man Trinkgeld oder wie wir WoWler sagen „Trinkgold“. Besonders seltene Verzauberungen kosten natürlich entsprechend mehr, sowie die Mats (Abkürzung für Materialen), die meist vom Kunden gestellt werden müssen und vom Dienstleister teuer verkauft werden. Auch dies ist natürlich ein Anreiz, denn nur im Endlevel der Berufe kann ich natürlich diese seltenen Rezepte nutzen. Und die Stufen der Berufe sind mit den Leveln gekoppelt. Ich benötige also das LevelCap um die mächtigsten Rezepte zu erlernen und nutzen zu können.
Mittlerweile habe ich meine Sucht unter Kontrolle, spiele täglich nur circa 1 – 2 Stunden, am Nachmittag, und versuche mich wieder am normalen Leben zu beteiligen, was mir auch ganz gut gelingt. Ich sehe WoW als eine Abwechslung, eine Welt, die ich zwar immer noch gerne besuche, aber in der ich keine ganzen Tage und Nächte mehr verweile. Und das ist auch gut so.

SB

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