Ich bin ARM! Was JETZT?


„ICH gehe zur Tafel in Überlingen!“

Interview mit Frau Caspar, eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Tafel!!! Hallo Frau Caspar. Wir interessieren uns für das Projekt Tafel. Wir schreiben über dieses Thema in unserer Herbstausgabe der „GePetZt“. Nachstehend haben wir sechs Fragen. Wir freuen uns über Ihre Antworten.

Wie entstand die Idee, die Tafel in Überlingen ins Leben zu rufen? Waren Sie Initiator?
Initiatorin war Elisabeth Graf (Überlingerin) 2004 – heute 81 Jahre alt.
Ich selber bin seit 2005 als Ehrenamtliche in der Tafel tätig.

Was bekommen Sie für ein Feedback von den bedürftigen Menschen?
Mehr als 75% der Menschen, die zu uns kommen, sind sehr zufrieden.

altKönnen Sie uns etwas über die Lieferanten erzählen, die die Lebensmittel stiften?
In der letzten Tafel-Post habe ich begonnen über Lieferanten zu berichten. Viele unterstützen uns schon von Anfang an. Ohne die Lebensmittelspenden würde es keine Tafeln geben. Wir haben im Raum Überlingen und Umland sehr großzügige Lebensmittelspender, die uns auch einen großen Anteil an BIO-Ware spenden.

Der Lidl in Überlingen bietet an, Pfand für die Tafel zu spenden. Bekommen Sie das Geld direkt? Oder wie läuft das ab?
Das Lidlpfandspenden-Projekt wurde bundesweit eingerichtet. Die Kunden von Lidl können entscheiden, ob sie ihr Pfand ausgezahlt haben wollen bzw. den Tafeln spenden wollen.
Die Gelder aus der Pfandspende werden zentral vom Bundesverband der Tafeln in Berlin verwaltet. Gelder können von jeder Tafel beantragt werden. Im letzten Jahr wurden Anschaffungen wie Kühlauto, Kühlraum, Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Tafel Treff) finanziert. In diesem Jahr werden Projekte für Kinder und ältere Menschen unterstützt.
Überlingen hat zwei Anträge gestellt, im letzten Jahr Einrichtung des Tafel Treffs (hier haben wir Euro 4.000 aus dem Lidlspendentopf erhalten), in diesem Jahr wollen wir einen Kochkurs für Tafel-Kinder durchführen. Dieser Antrag liegt noch bei der Prüfkommision.
Insgesamt sind über die Lidlpfand-spende bis Juni 2010 2.000.000€ zusammen gekommen.

Was uns noch interessieren würde ist, ob die Menschen die ehrenamtlich helfen, auch bedürftig sind?
95% der Ehrenamtlichen sind nicht bedürftig. Wir haben aus der Anfangszeit noch 3 Mitarbeiterinnen, die einen Berechtigungsschein haben.

Vielen Dank für Ihre offenen Antworten. Wir sind froh, dass es so eine Möglichkeit gibt, Menschen mit
wenig Geld mit so tollen Lebensmitteln zu versorgen.
C.S.

1. Erfahrungsbericht
Durch meine Betreuerin im ABW wurde ich auf die Tafel aufmerksam. Ich erfuhr weiterhin, dass ich für den Einkauf dort einen Berechtigungsschein von der Caritas bräuchte und so bekam ich den Ausweis für ein Jahr.
Das erste Mal, als ich in den Tafel-Laden in der Friedhofstraße ging, kostete mich das eine große Portion Überwindung, aber die „Freiwilligen Helfer“ dort haben mir den Einstieg leicht gemacht. Sie sind immer freundlich und haben auch für den letzten „Einkäufer“ noch ein Lächeln und ein freundliches Wort parat.
Der Einlass wird über Nummernkarten geregelt. Es ist immer eine Über-
raschung, welche man bekommt, denn die Nummern werden aus einem kleinen Stoffbeutel gezogen und verteilt. Ich hatte altschon mal Glück und bekam die Nummer 6, d.h. ich kam als 6. rein, aber es ist auch schon vorgekommen, dass ich die Nummer 56 bekam. Da kam ich so ziemlich zum Schluss dran. Ich ärgerte mich ein bisschen und fand es auch zu teuer, weil ich die vollen 3 € bezahlen musste, aber fast nichts mehr da war, außer am Wurststand, da bekam ich ein besonderes „Schmankerl“ was mich ein bisschen versöhnte…
Der Ablauf im Tafel-Laden in Überlingen ist folgender: ganz am Anfang zeigt man seinen Ausweis zum Abstempeln und bezahlt die 3€. Schön finde ich, dass man da immer Süßigkeiten bekommt. Das Angebot reicht von Kartoffeln über Gemüse und Salat bis hin zu Wurst und Käse. Eine weitere Station ist der Milchstand, dort gibt es dann noch Joghurt, Quark und Pudding. Zum Schluss kann man noch Brot und Brötchen bekommen. In letzter Zeit gab es auch noch Schnittblumen.
Der Tafel-Laden, so wie er seit 2004 besteht, platzte aus allen Nähten, deshalb wurde ein neues Domizil auf dem gleichen Grundstück gebaut. Im Mai 2009 war es soweit, die Pforten wurden geöffnet, auch wurde zu diesem Zeitpunkt ein 2. Öffnungstag beschlossen. Ich musste mich entscheiden, ob ich Mittwochnachmittag oder Donnerstagvormittag kommen wollte. Noch ein zusätzliches Angebot wurde eingerichtet: ein Cafe im alten Gebäude der Tafel, in dem man sich im Winter aufwärmen und ganzjährig die Wartezeit mit einem Kaffee für 20 Cent und/oder einem Stück Kuchen für 30 Cent versüßen kann. Kinder brauchen nichts zu bezahlen.
Durch den 2. Öffnungstag werden die Mitarbeiter noch zusätzlich gefordert, obwohl für die 2 Tage jeweils andere Helfer zur Verfügung stehen. Eine Mitarbeiterin erzählte mir, dass inzwischen insgesamt ca. 150 Bedürftige an den zwei Öffnungstagen kommen, aber es seien ca. 300 Ausweise ausgestellt worden. Sie vermutet, dass es auch viele Ältere betrifft, die sich dann doch nicht trauen, hinzugehen.
Ich habe mich bei der Tafel immer angenommen gefühlt und hatte auch irgendwann keine Schwellenangst mehr, das Gefühl der Scham, dass ich dort einkaufen gehe, verschwand auch. Leider ist mein Ausweis im Mai ausgelaufen, ich bekomme auch keinen mehr, da sich meine Finanzen stabilisiert haben. Ich werde aber trotzdem noch ab und zu kommen und mir in aller Ruhe den Bauch mit Kaffee und Kuchen voll schlagen.
Vera T.

2. Erfahrungsbericht
Ich bin jetzt schon ungefähr 5 Mal bei der Überlinger Tafel gewesen. Es ist mir sofort aufgefallen, dass die Verantwortlichen darauf achten, dass es ruhig zugeht und keiner stresst. Für 3 Euro bekommt man dann wirklich viele Sachen: Salat, Tomaten, Karotten, Zucchini, Kartoffeln, Pilze, manchmal auch eine Aubergine und frische Milch, Joghurt, Käse, Wurstaufschnitt oder Schinken und Brot in allen Ausführungen. Und was Süßes bekommt man auch fast immer noch dazu!
Also ich komme um 10 Uhr dort an und ziehe eine Zahl! Meistens bekomme ich eine hohe Zahl wie z.B. die 78. Das bedeutet dann Warten und Warten bis ich dran bin. Aber das ist wirklich nicht so schlimm wie ich erst gedacht habe! Man vertreibt sich dann halt daltie Zeit mit Kaffee oder Wasser trinken und/oder ein Stück Kuchen essen. Also wenn ich morgens um 10 Uhr hinkomme, passt das ganz gut. Erst mal einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen für nur 0,50 € insgesamt essen. Und  sonst kann man sich auch ganz nett mit den Menschen dort unterhalten. Für mich ist es jetzt auch irgendwie gut, wenig Geld zu haben, denn ich „muss“ nicht unbedingt etwas kaufen. Ich bin einfach zufrieden mit dem was ich habe. Und wenn ich grad kein Geld habe, um Nudeln zu kaufen, dann gibt’s halt Kartoffeln. Die schmecken mir eigentlich auch viel besser als Nudeln. Also hab ich irgendwie schon gewonnen… denk ich jetzt so… wer weiß ob sich das noch ändert! Und es ist immer von Vorteil, sein Leben zu vereinfachen, es muss nicht immer alles so groß und so wertvoll und so viel sein. Das Kleine, Günstige, auch das, was nichts kostet, macht viel viel glücklicher!                                       
Anonym