Geschichte der Psychiatrie Teil 3


altPsychiatrie während des Nationalsozialismus

Schon im letzten Drittel des 19.Jhdt. wurde über Lebens- und Lebensunwertes Leben diskutiert. Leitend war Benedict-Augustin Morels (1809-1873) Degenerationstheorie,

Joseph Arthur Gobineaus (1816-1822)Vorstellung es gebe höher und minderwertige Rassen, Francis Galtons (1822-1911) Eugenik als Lehre von der gezielten Selektion des Erbguts. Diese Vorstellungen waren Anfang des 20.Jhdt. in allen politischen Lagern und Ländern zu finden. (Fangerau/Noack 2006, S.228).
In Deutschland bezog man diese Vorstellungen speziell auf Rassen. Es entstand die Meinung, dass durch die moderne Zivilisation der Kampf ums Überleben nicht mehr stattfand, und sich dadurch „Untaugliche“ vermehren könnten. Deshalb sei deren Fortpflanzung zu verhindern, um das „reine Erbgut der arischen Rasse“ zu erhalten. In den zwanziger Jahren wurde verstärkt die Euthanasie gefordert. Formuliert wurden sie 1920 von dem Juristen Karl Binding (1841-1920) und dem Professor für Psychiatrie Alfred Erich Hoche (1865-1943)in Ihrer Schrift: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens.
altDie zur Tötung bestimmten Menschen wurden in Gruppen selektiert (komatöse, unheilbar tödlich erkrankte, und schwer geistig Behinderte). Hoche schreibt über die schwer geistig Behinderten: „Es ist eine peinliche Vorstellung, dass eine ganze Generation von Pflegern neben diesen leeren Menschenhülsen dahin altern, von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden. Die Frage, ob der für die Kategorien von Ballastexistenzen notwendige Aufwand nach allen Richtungen hin gerechtfertigt sei, war in den verflossenen Zeiten des Wohlstandes nicht dringend; jetzt ist es anders geworden, und wir müssen uns dringend mit ihr beschäftigen“ (Binding/Hoche 1922, S 55).
Ganz anders lautete eine Einschätzung von Karl Birnbaum (1878-1950) ebenfalls 1920, der ab 1930 ärztlicher Direktor in Berlin-Buch war, drei Jahre später entlassen wurde und 1939 in die USA emigrierte: „Es ist nicht zu verkennen: Von vielem Schweren und Trüben, von Bedrückungen und Enttäuschungen, von Verirrungen und Entgleisungen, von Hemmungen und Zerstörungen würde das Leben befreit, ließe sich das Pathologische aus seinem Umkreise bannen. Aber ebenso ist gewiss: Es würde zugleich an Formen und Nuancen, an Farben und Lichtern, an Reichtum und Fülle des Seelenlebens erheblich verarmen. Es würde an Lebenswert verlieren“. (Birnbaum 1920 S.303)
Über diese beiden Ansichten wurde damals diskutiert.
In der Weimarer Republik wurden Fachgesellschaften gegründet und die „Rassenhygiene politisch gefördert. Ab 1927 wurden im Berliner „Kaiser Wilhelm Institut für Anthropologie“ über dreißig weiteren Institutsgründungen bis 1933 verankert (Schmuhl 2003). Unter den Nationalsozialisten wurde die Rassenhygiene ein Staatsziel.

Gesetz zur Verhütung erkrankten Nachwuchses
Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurde 1933 erlassen. Es verpflichtete Ärzte zu Zwangssterilisationen bei Behinderten und psychisch Kranken. Als erkrankt galten Menschen mit angeborenem Schwachsinn, Schizophrenie, manisch-depressivem Irresein, Epilepsie, erblichem Veitstanz, erblicher Blindheit, erblicher Taubheit, schwerer Alkoholismus und schwere körperliche Missbildung.
Zur Aktion der Sterilisierungen wurden Erbgesundheitsgerichte, Gutachterausschüsse und erbbiologische Beratungsstellen eingerichtet. Es galt für alle Anstalten eine Anzeigepflicht. Es wurden 300 000 bis 400 000 Zwangssterilisationen durchgeführt, dabei starben circa 6000 Menschen bei den Eingriffen, darunter 90% Frauen.
Im Jahr 1939 erließ Hitler eine Verfügung zur Tötung schwerbehinderter Kinder. Es wurden neue Kinderfachabteilungen gegründet. Dort wurden mindestens 5000 Kinder im Alter bis zu 16 Jahren durch tödliche Medikamentendosen umgebracht.

Aktion T 4
Die Ermordung der Erwachsenen geschah in zwei Wellen.
Bei der Aktion T4, benannt nach der Tarnadresse der administrativen Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4, wurden die Patienten erfasst, selektiert, deportiert und getötet. An die Anstalten wurden Meldebögen versandt. Aufgrund der Angaben in den Meldebögen wurden die Patienten in Berlin von Gutachtern selektiert, und zwar nach Erblichkeit, Unheilbarkeit, Arbeitsleistung, Asozialität und Rassenzugehörigkeit. Danach wurden die Anstaltsleiter informiert und die Patienten wurden in Bussen der „Gemeinnützigen altKrankentransportgesellschaft“ abtransportiert. Die Patienten kamen zunächst in Zwischenanstalten. Von dort wurden sie bis 1941 in sechs Tötungsanstalten mit Kohlenmonoxid in Gaskammern vernichtet. (Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein bei Pirna)
1940 kam es vereinzelt zu Protesten aus den Kirchen. Der Bischof von Münster (Clemens August Graf von Galen) erstattete Strafanzeige. In einer Predigt 1941 deckte er den Abtransport westfälischer Patienten auf und äußerte die Befürchtung, dass diese Patienten vorsätzlich getötet werden.
1941 wurde die T4 Aktion offiziell eingestellt.

Die Tötungen liefen aber auf anderen Ebenen weiter. Die Patienten wurden in Auslagerungsanstalten untergebracht um Kriegsverletzten Platz zu machen. Dort ließ man die Patienten hungern und sie wurden durch Überdosierung von Medikamenten umgebracht. Auf diese Weise kamen mehr Menschen ums Leben als während der ersten Tötungswelle. An vielen Patienten wurde auch experimentiert.
Im Jahr 1947 begann man mit der Aufarbeitung der Verbrechen. In Frankfurt am Main und in Dresden gab es Euthanasie Verfahren. Es wurden insgesamt sieben Todesurteile gefällt, aber nur zwei wurden vollstreckt. 29 Angeklagte wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt. 49 Personen wurden freigesprochen, drei Verfahren wurden eingestellt. Viele Täter wurden nie verurteilt.
Das Sterilisierungsgesetz wurde auch von den Alliierten nicht zurückgenommen. Die vielen Zwangssterilisierten wurden erst in den achtziger Jahren entschädigt. Viele der Betroffenen waren damals schon verstorben.

Quelle: http://www.psychiatrie.de/psychiatriegeschichte/nationalsozialismus/

 

EB

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