Problemkinder brauchen Hilfe


Buchtipp

orange_punkt

Auch wenn es in der Pädagogik keine für alle Kinder geltenden Ratschläge gibt, so kann man doch aus Einzelfällen sehr viel lernen. In ihrem Buch »Problemkinder brauchen Hilfe« schreibt Christa Meves wie ich finde praxisorientiert und anschaulich. Ich möchte nun ein paar von ihren Tipps anführen. Dafür habe ich das Thema Depression ausgewählt.
Depression ist bei Kindern schwer zu erkennen. Am ehesten wird sie deutlich durch Beschäftigungsunlust, Trägheit, Patzigkeit, Aufschieben von Arbeit, Gefräßigkeit, Fernsehsucht, Egoismus, wenig Liebenswürdigkeit, geringe Ausdauer oder aber durch Übergefügigkeit, dauerndes Jemandem etwas zuliebe tun wollen, Aufdringlichkeit und nach Liebe betteln. Grund ist oft eine frühe Existenzangst, nicht durch ein einzelnes schlimmes Erlebnis, sondern durch die immer wiederkehrende Erfahrung schon als Baby, dass seine Bemühungen, seine Bedürfnisse anzumelden erfolglos blieben, es verlassen blieb. Deshalb ist so ein Kind resigniert und hat keinen festen Willen und keine Ausdauer. Freilich gibt es auch bei den Eltern dafür einen triftigen Grund. Seien es Zeitmangel, Überforderung oder eigener Mangel an Liebesfähigkeit, verständlich ist es.
Was kann man als Eltern tun, um einen solchen Mangel des Kindes aufzuholen? Nun, zunächst einmal muss die Not des Kindes verstanden werden. Es zu mehr Ausdauer treiben zu wollen, ist schädlich, weil das Kind nun einmal nicht kann und dann noch mehr Misserfolg erlebt. Es kann gar nicht wollen! Es einfach so weiter leben zu lassen, ist genauso wenig hilfreich. Zunächst sollten die Eltern überlegen, für was sich das Kind noch ein bisschen interessiert. Idealerweise ist es etwas, was auch den Eltern Spaß macht. Besonders geeignet sind Spiele zu zweit, z.B. Tischtennis.
Die Eltern schenken etwa dem achtjährigen Kind eine Tischtennisplatte. Das Kind steht dem Elternteil gegenüber: Es kann die liebende Zuwendung erfahren, die ihm fehlt und auch, dass Mama oder Papa ganz für es da ist. Er oder sie übt mit dem Kind ca. zehn Minuten lang den Anschlag. Jedes Mal, wenn es dem Kind gelingt, den Ball über das Netz zu spielen, egal wo der Ball landet, wird es gelobt. Nach fünf Treffern hört man mit dem Spiel auf. Nur wenn das Kind weitermachen möchte, spielt man erneut bis zu seinen fünf Treffern. Am nächsten Tag gilt es auch als Erfolg, wenn der Ball vom Kind zufällig zurückgeschlagen wird. Wenn das Kind wettbewerbsfähig geworden ist, kann ein Match bis zu fünf Punkten gespielt werden. So lernt das Kind auch Regeln einzuhalten und bekommt Kraft.
Wenn das Interesse des Kindes erlischt, sollte man ohne Kommentar zu anderen Spielen übergehen. Dieses gemeinsame Üben und Lernen sollten die Eltern mit unermüdlicher Geduld mindestens ein Jahr lang ganz gezielt durchführen. Jedenfalls so lange, bis das Kind von selbst in Schwung kommt. So kann der Schaden oft behoben werden, wenn dieses Nachholen rechtzeitig erfolgt. Auch Kochen und Backen oder die Pflege eines Haustieres sind sehr gut geeignet, um in winzigen Schritten zu arbeiten.
Jugendliche äußern manchmal Sätze wie: »So, jetzt bring‘ ich mich um!« Das kann ein wichtiges Signal sein, dem man mit intensiver Kontaktbemühung begegnet. Es kann momentane Verzweiflung sein, weil der Jugendliche noch nicht gelernt hat, Frustrationen und Unlust auszuhalten. Es kann aber auch ein – oft unbewusster – Erpressungsversuch sein. Übertriebene Sorge bei solchen Worten ist nicht ratsam; eher Gelassenheit bzw. Therapie.

Mevpro-(1)Gut ist es, auf den Jugendlichen einzugehen, z. B. bei einer Sechs in der Schule. Die Eltern erklären dem Teenie, dass sie verstehen, dass das schlimm ist, dass die Eltern das auch kennen, auch das Gefühl der Verzweiflung und der Sinnlosigkeit des Lebens. Man muss da aber nun mal durch; und es gibt immer einen Ausweg. Außerdem wird man dadurch stärker und kann später im Leben auch viel aushalten. Die Eltern bieten dem Jugendlichen an, sein Heft anzuschauen und mit ihm gemeinsam für’s nächste Mal zu üben.
Außerdem sollte man mit dem Jugendlichen darüber sprechen, dass das Leben für Jeden ein Risiko ist und seine Sorgen und Ängste beschwichtigen. Gelassenheit und Beruhigung vorzuleben ist wichtig. Es ist gut, dem Jugendlichen, der ja zumindest innerlich nach seinem Sinn des Lebens fragt, Liebe als Lebenssinn anzubieten. Wenn der Jugendliche das verinnerlicht, fühlt er sich auf jeden Fall gebraucht, was den Depressionen entgegenwirkt.
Zum Schluss nun ein Zitat von Otto Gillen (1899-1986 deutscher Dichter), das Christa Meves am Buchanfang abgedruckt hat: »Kein Opfer ist vergeblich, auch wenn ein Sinn unseren Augen verborgen bleibt.«

W.A.