Wer auf Medikamente angewiesen ist, weil er psychische Probleme hat, kennt die bekannteste Nebenwirkung „Gewichtszunahme“. Psychopharmaka können den Kalorienumsatz im Körper senken und den Appetit steigern.
M. aus W. war in Spitzenzeiten 60 kg schwerer als vor der ersten Medikamenteneinnahme. Dann hat er 10 Kilo abgenommen und hofft, dass er noch mehr abnimmt! C. aus H. hat nach ihrem ersten Aufenthalt in der Psychiatrie 20 Kilogramm zugenommen, weil sie ein Medikament bekommen hat, das schnell wirkt und riesigen Appetit macht. Inzwischen hat sie ein anderes Medikament. Es ist nicht so appetitanregend wie das andere und zur Zeit kann sie ihr Gewicht halten. Durch die schnelle Zunahme entstand aber das nächste Problem, mit dem sie nicht alleine dasteht. Sie hat sich nicht mehr akzeptiert, fand sich hässlich und hat angefangen nach dem Essen zu erbrechen. Nach zwei Jahren Therapie hat sie es fast geschafft davon wegzukommen… aber wenn man nicht mehr erbricht und weiter Heißhungerattacken hat, wird man noch dicker. Es ist wirklich ein ernstes Problem und solchen Menschen ist zu raten, eine Therapie zu machen, wobei man das Essen wieder neu erlernt. Das ist in bestimmten Kliniken, die für die Behandlung von Essstörungen ausgebildet sind, möglich. Aber darüber wollen wir in einem anderen Artikel noch ausführlicher berichten.
Nachstehend kommt ein Interview mit Frau Dr. Fladt, die noch andere Nebenwirkungen beschreibt und wie man damit besser klar kommt:
GePetZt: Fr. Dr. Fladt, was sind die bekanntesten Nebenwirkungen bei der Einnahme von Psychopharmaka?
Fr. Dr. Fladt: Das lässt sich so global kaum beantworten. Wir müssen zwischen den verschiedenen Gruppen von Psychopharmaka (Antipsychotika, Antidepressiva und den Tranquilizern) unterscheiden.
Psychopharmaka wirken auf ganz unterschiedliche Rezeptoren im Gehirn und je nach Rezeptorprofil haben sie auch ganz unterschiedliche Nebenwirkungen.
Bei den Antipsychotika unterscheidet man die älteren typischen Antipsychotika (z.B. Haloperidol) von den neueren atypischen (z.B. Olanzapin, Risperidon).
Bei den älteren typischen Antipsychotika standen vor allem Nebenwirkungen des Extrapyramidalen Nervensystems (Zungen-, Schlundkrämpfe, Parkinsonoid, Sitzunruhe oder Spätdyskinesien) im Vordergrund. Beim ersten atypischen Antipsychotikum Clozapin, das die eben genannten Nebenwirkungen nicht mehr zeigte, machten Blutbildveränderungen strenge Auflagen notwendig. Außerdem begünstigen atypische Antipsychotika wie Clozapin, Olanzapin, Risperidon oder Quetiapin das metabolische Syndrom und führen oft zu erheblicher Gewichtszunahme. Andere wie das Aripiprazol führen oft zur Unruhe. Fast alle Antipsychotika können zu Blutbild- und Leberwertveränderungen führen. Deshalb müssen unter den Medikamenten auch regelmäßige Laborkontrollen erfolgen. Einmal im Jahr sollte auch ein EKG gemacht werden. Nicht vergessen werden dürfen die sexuellen Störungen, die unter vielen Psychopharmaka auftreten.
Auch bei den Antidepressiva muss wieder unterschieden werden. Die derzeit häufig eingesetzten SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) sind relativ gut verträglich, können aber auch Übelkeit, Erbrechen oder auch sexuelle Funktionsstörungen verursachen. Die älteren trizyklischen Antidepressiva wirken oft auch auf das vegetative Nervensystem, können Herz- und Kreislaufprobleme machen oder auch zur Gewichtszunahme führen.
Bei den Tranquilizern oder Schlafmitteln ist das Hauptproblem die Gefahr der Abhängigkeitsentwicklung.
GePetZt: Uns was können Sie Positives über die Medikamente sagen?
Fr. Dr. Fladt: Psychopharmaka verhelfen vielen psychisch kranken Menschen dazu, ein „einigermaßen normales Leben“ zu führen. Sie sind eine ganz wichtige Säule der Therapie. Allerdings sollten auch die anderen Säulen der Therapie nicht vergessen werden (Psychotherapie, Soziotherapie, Tagesstruktur und berufliche und gesellschaftliche Wiedereingliederung).
GePetZt: Was können Sie für Tipps zu den Nebenwirkungen geben?
Fr. Dr. Fladt: Wichtig ist es, für jeden Patienten das bestverträgliche Medikament herauszufinden. Das erfordert viel Geduld. Das Zauberwort bei Gewichtszunahme heißt möglichst viel Bewegung
(2 – 3 mal pro Woche Walken/Joggen usw.) und gesunde ballaststoffreiche Ernährung. Möglichst frühzeitig Strategien finden, mit Heißhungerattacken umzugehen.
GePetZt: Was können Sie noch zu diesem Thema sagen?
Fr. Dr. Fladt: Hier möchte ich nur kurz hinzufügen, dass ich mit den genannten Nebenwirkungen keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebe, denn dies würde den Rahmen sprengen.
GePetZt: Vielen Dank für Ihre Antworten!
Zum Schluss noch einige Statements von Menschen, die Medikamente nehmen müssen und mit Nebenwirkungen zu kämpfen haben:
Frau O. aus S.: Ich litt an Halluzinationen und Verfolgungswahn. Als ich im ZfP war, war ich Versuchskaninchen für ca. 7 Präparate, ich hatte Nebenwirkungen wie Milchfluss, alles verschwommen sehen, keine Wahrnehmung mehr, dauernd müde, Gewichtszunahme etc. Das letzte Präparat wurde ohne Versuchsphase einfach eingesetzt – einen Tag vor meiner Entlassung, mit den Nebenwirkungen war ich dann alleine. Habe es aber Gott sei Dank gut vertragen, außer einer Gesamtgewichtszunahme bis heute von rund 35 Kilo. Nehme heute Abilify, vor 5 Jahren habe ich noch Antidepressiva bekommen, die mich total müde und phlegmatisch gemacht haben. Die habe ich dann aber in Übereinstimmung mit meinem Arzt abgesetzt und es ging bergauf.Frau H. aus D.: Ich habe schon einige Medikamente eingenommen und dabei auch einige Nebenwirkungen bekommen. Ich hatte schon von einem Medikament eine Woche lang sehr starke Bauchkrämpfe und Durchfall, so dass ich nicht arbeiten konnte. Auch als sehr schlimm empfinde ich es, dass man vor allem bei Psychopharmaka zunimmt und sich als fett und hässlich empfindet. Auch weil die Umwelt einen dann als willensschwach, gefräßig und faul einstuft. Man kommt dann in einen Teufelskreis aus essen und fasten und kriegt dann seine Essgewohnheiten nicht mehr in den Griff. Das ist sehr schlimm und man nimmt diese Pillen dann nicht gerne, unregelmäßig oder gar nicht. Und nun noch das heikle Tabuthema über das man nicht spricht: die sexuellen Einschränkungen. Ich kann darüber nicht viel sagen, weil ich auch selbst leider nicht darüber sprechen kann, auch nicht mit meinem Freund oder mit meinem Arzt. Ich fühle mich manchmal wie ein gefühlloses Monstrum und weiß bis heute nicht, wie ich mit diesem Thema umgehen soll. Ich hoffe, euch geht es da besser und ihr habt jemanden mit dem ihr darüber reden könnt und der euch versteht.
Frau Z. aus Ü.: Ich habe durch die Medikamente 15 kg zugenommen. Abnehmen mit Medikamenteneinnahme finde ich unheimlich schwer. Ich habe schon Medikamente abgesetzt, weil ich soviel zugenommen habe. Die Medikamente machen oft müde, weswegen Sport treiben auch schwer fällt.
Herr F. aus K.: Medikamente machen müde, machen dick. Bei manchen Personen, die Medikamente nehmen, hat es den Anschein, dass sie nicht so sensibel sind. Bei manchen Medikamenten treten manchmal sogar gefährliche Nebenwirkungen auf, z. B. nervöse Störungen, eingeschränkte Lebensqualität und Verhaltensstörungen. Die Umwelt wird weniger wahrgenommen.
Frau G. aus M.: Bei mir haben die Medikamente bewirkt, dass ich in die Wechseljahre kam. Außerdem hatte ich mehr als 2 Monate Durchfall. Als das aufhörte wurde ich immer dicker. Ich habe an die 20 kg zugenommen. Durch den durch die Medikamente reduzierten Stoffwechsel ist Abnehmen doppelt schwer. Als Nebenwirkung habe ich Gelenkschmerzen, was Sport treiben fast unmöglich macht. Mittlerweile habe ich eine Fettleber.
Herr M. aus Ü.: Früher war ich fast täglich mindestens 7 km joggen. Als ich dann die Medikamente bekommen habe, war ich wie gelähmt, als würde einem die Energie abgesaugt werden. Zusätzlich hatte ich plötzlich großen Appetit, so dass ich allein während meines ersten Klinikaufenthaltes fast 15 kg zugenommen habe. Später sind noch einige Pfunde dazu gekommen.
Frau A. aus Ü.: Ich habe 10 kg zugenommen, nachdem ich Antidepressiva nehmen musste. Ich habe vor, das Medikament noch 1 Jahr als Vorsichtsmaßnahme zu nehmen und hoffe, dass ich danach wieder abnehmen kann.
Herr T. aus I.: Man bekommt durch die Medikamente Erkältungskrankheiten öfter als sonst. Ich habe 15 kg zugenommen innerhalb von 2 Jahren, seit ich die Medikamente nehme. 5 kg habe ich schon wieder abgenommen. Man hat halt mehr Appetit durch die Medikamente, man isst mehr. Und das Abnehmen fällt schwerer als zuvor.
Frau L. aus Ü.: Ich habe bestimmt schon 10 Diäten gemacht, doch mittlerweile treibe ich viel Sport und kann fast essen, was ich will. Ich finde ich hatte die Möglichkeit zu entscheiden, ob ich zunehme. Ich hab dem ständigen Appetit nicht nachgegeben und habe nur normal gegessen. Irgendwann wurde es immer einfacher, weil ich mich daran gewöhnt habe. Aber es ist schon manchmal ziemlich frustrierend immer ein wenig hungrig und nie wirklich satt zu sein. Das Tolle an Sport ist, dass ich durch die Bewegung sogar weniger Hunger habe. Ich denke, es ist einfach wichtig den Punkt bei sich zu finden, an dem man zufrieden mit sich ist und es ist nicht gesagt, dass man dafür 70 kg wiegen muss. Das entscheidet jeder für sich selbst.
Abschließend dazu kann man sagen, dass Nebenwirkungen zu den Medikamenten einfach dazugehören und es wichtig ist, auch sie zu akzeptieren um damit klarzukommen. Ohne die Medikamente ist es nämlich unmöglich ein normales Leben zu führen (also einen geregelten Tagesablauf und normale soziale Kontakte zu haben). Oder kann sich jemand vorstellen mit Wahnvorstellungen oder schwerer Depression das zu tun? Die jeweiligen Medikamente verhindern eben diese „kranken“ Zustände und machen es uns möglich in der Realität zu leben.
Auf der Webseite
www.lilly-pharma.de gibt es
tolle Tipps zum gesunden
Essen und Abnehmen.
Unterlagen dazu bekommt
man bei Nachfrage beim Facharzt.
MR + carina s.
Ein Bild von www.pixelio.de