Ein Portrait über den am 18.03.2012 gewählten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland
Im Vorfeld wusste es schon fast jeder, als die Oppositionsparteien (SPD und Grüne) erneut den Namen Joachim Gauck als möglichen Kandidaten nannten und die Regierungsparteien (CDU/CSU und FDP) einen gemeinsamen parteiübergreifenden Bundespräsidenten suchten gelang es sich auf Joachim Gauck zu verständigten.
Bei dieser breiten Mehrheit für ihn, galt er schon weit vor dem Wahltermin als „Der NEUE“ in Schloss Bellevue. Nach der Zusammenkunft der Bundesversammlung im Bundestag in Berlin wurde Joachim Gauck am 18.03.2012 mit 991 von 1228 Stimmen, im ersten Wahlgang, zum 11. Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Am 23.03.2012 wurde er vor dem Bundesrat und Bundestag, durch den Bundestagspräsident, Norbert Lammert vereidigt.
Er ist der erste Bundespräsident der aus Ostdeutschland kommt. Joachim Gauck ist im Januar 1940 in Rostock geboren. Als Kind erlebt er noch das Nazi-Regime, beide Elternteile sind Mitglied der NSDAP. Sein Vater ist Kapitän der Handelsmarine und Oberleutnant zur See. Er muss in britische Kriegsgefangenschaft. Die Mutter übernahm allein die Erziehung der vier Kinder. Kurz vor der Einschulung seines Sohnes Joachim wird der Vater entlassen. Es folgten die Jahre des DDR Regimes. Im Jahr 1951 verschwindet der Vater von Joachim Gauck erneut. Ohne, dass die Familie etwas weiß, wird er auf der Arbeit unter einem Vorwand verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt. Der angebliche Vorwurf lautet auf Spionage und antisowjetische Hetze. Ein Militärtribunal in Schwerin verurteilt ihn 1951 zu zweimal 25 Jahren Freiheitsentzug. Das Urteil stützt sich auf eine im Elternhaus gefundene nautische Fachzeitschrift, westlicher Herkunft. Er kommt in ein sibirisches Arbeitslager, wird jedoch nach einem Jahr als „Invalid“ eingestuft. Erst 1953 erfährt die Familie, dass der Vater noch lebt und sich in Sibirien befindet. So wird es möglich, einen Schriftverkehr aufrecht zu halten. Diese biografischen Begebenheiten prägen das Leben und Wirken von Joachim Gauck. Bis zum Jahr 1961 besucht er so oft es geht den „Westen“. Er unternimmt Radtouren durch Schleswig-Holstein und besucht Städte, darunter auch Paris. Er denkt in diesen Jahren jedoch nicht ernsthaft über ein „Rübermachen“ nach. Nach dem Abitur heiratet er in der DDR. Aufgrund regimebedingter Gesetze und Verordnungen kann er sein Wunschstudium, Journalismus, nicht absolvieren. Dieser Studiengang scheidet für ihn aus. Daraufhin entscheidet er sich für das Studium der Theologie. Dieses absolviert er in den Jahren 1958 bis 1965. Noch während seines Studiums kommen seine Söhne zur Welt. Joachim Gauck gerät daraufhin in eine Orientierungskrise. Erst nach einem nervenärztlichen Gutachten genehmigt die zuständige DDR Behörde den Antrag auf Verlängerung seiner Studienzeit. Im Jahr 1967 findet seine Ordination statt. Er arbeitet als Pastor in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg in Lüssow. Einem ländlichen und für DDR Verhältnisse stark religiös geprägten Ort. Er setzt sein Wirken ab 1971 in Rostock-Evershagen fort, wo er erfolgreich in der Missionsarbeit und als Kreis- und Stadtjugendpfarrer tätig ist. Ab dem Jahr 1974 werden die kirchlichen Aktivitäten von Joachim Gauck vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) beobachtet. Demnach hat er einem inoffiziellen Mitarbeiter (IM) gegenüber die Regierung der DDR als „Clique“ bezeichnet. In einem von der STASI verfassten Bericht über einen Festgottesdienst aus dem Jahr 1982 heißt es: „G. zog in seiner Predigt zum Thema Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Frieden Vergleiche zum Faschismus in Deutschland und unserer sozialistischen Entwicklung in der DDR.“ Daraufhin wird die Empfehlung ausgesprochen gegen Joachim Gauck „Zersetzungsmaßnahmen“ einzuleiten. Gleichwohl ist über deren Durchführung nichts bekannt.
Mitte der 1980er Jahre finden sich in Mecklenburg und Vorpommern fundamentaloppositionelle Gruppierungen zusammen. Zu ihnen hatte Joachim Gauck jedoch keinen Kontakt. In den Jahren von 1982 bis 1990 ist Joachim Gauck Leiter der Kirchentagsarbeit in Mecklenburg. Der Kirchentag 1988 Motto: „Brücken bauen“ steht bereits unter den Vorzeichen des Wandels durch den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow. Die SED solle sich endlich zu Umweltpolitischen, Friedens- sowie Menschrechtsthemen äußern und einen Dialog führen. Ein Höhepunkt dieses Kirchentages ist nach einer hürdenreichen Einladung die Ansprache von Altbundeskanzler Helmut Schmidt von der Kanzel der Rostocker Marienkirche. Nach diesem Kirchentag erhält Joachim Gauck Besuch von einem hochrangigen STASI-Offizier. Ziel dieses Gesprächs ist es den Pastor davon zu überzeugen, seine Lage nochmals zu überdenken. Gauck lehnt ab und schließt gleichzeitig weitere Begegnungen auf Grund von grundsätzlichen Differenzen zwischen ihm persönlich, seine Auffassung von Kirchenarbeit und dem politischen Regime aus. Im November 1988 beschließt die STASI den operativen Vorgang gegen Joachim Gauck zu beenden, da von ihm keine Gefahr für die DDR ausgehe, die eine weitere Bearbeitung nötig mache. Die Aussagen von Joachim Gauck werden später in Frage gestellt. Das führt dazu, dass verschiedene Personen aus Kirche und Politik ihn, als einen von der STASI „Begünstigten“ darstellen. Es kommt zu juristischen Prüfungen und Prozessen. Eine Opfer-Akte sagt über Joachim Gauck das Gegenteil aus. Im Rahmen der Proteste gegen das DDR-Regime vergleicht Joachim Gauck die Losung: „WIR SIND DAS VOLK!“ mit der aus der französischen Revolution bekannten Maxime: „FREIHEIT, GLEICHHEIT, BRÜDERLICHKEIT.“
Er selbst beteiligt sich jedoch nicht aktiv an den Protesten, was dazu führt, dass die Bezeichnung „Bürgerrechtler“ für den Pastor Gauck von einigen Menschen als nicht zutreffend gewertet wird. Bei der Volkskammerwahl am 18.03.1990 wird Joachim Gauck knapp als Abgeordneter, für Bündnis 90, dem auch das Neue Forum beigetreten ist, gewählt. Am 28. September wird Joachim Gauck in der letzten Arbeitssitzung der Volkskammer zum „Sonderbeauftragten für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR“ ernannt. Am 03.10.1990, dem Tag des Beitritts der DDR zur BRD, wird Joachim Gauck mit dem Zusatz „Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die personenbezogenen Unterlagen des ehemaligen Staatssichheitsdienstes der DDR“, durch den amtierenden Bundespräsidenten Richard von Weizäcker in diesem Amt bestätigt. Die Behörde wird in Gesamtdeutschland unter dem Namen
„GAUCK-BEHÖRDE“ bekannt. Dieses Amt hat er von 1990 bis 2000 inne. Er nimmt nach seinem Ausscheiden aus der Behörde, unter anderen die Aufgaben des Vorsitzenden im Verein „GEGEN DAS VERGESSEN“ wahr. Eine Initiative die sich nicht nur mit den Verbrechen des DDR-Regimes beschäftigt, sondern die Unmenschlichkeit der Nazis in Bezug auf Verfolgung und Ermordung von Menschen mit einschließt. Joachim Gauck hält zahlreiche Vorträge, im In- und Ausland, innerhalb denen er die Begriffe „Verantwortung, Freiheit und Bürgergesellschaft“, als Säulen der Demokratie voranstellt. Im Jahr 2010 wird er Kandidat zur Bundespräsidentenwahl von SPD und Bündnis90/die Grünen. Er unterliegt im dritten Wahlgang dem von CDU/CSU und FDP aufgestellten Kandidaten Christian Wulff. Joachim Gauck setzt sein Engagement im Verein „GEGEN DAS VERGESSEN“ fort.
Nach dem Rücktritt von Christian Wulff im Februar 2012 wird Joachim Gauck wiederholt zum Bundespräsidentenkandidaten gekürt.
AP
Textquelle:
Buch: „Winter im Sommer – Frühling im Herbst“
„Erinnerungen“
Autor: Joachim Gauck
Verlag: Pantheon in Lizenz von Siedler Verlag / Random House GmbH
ISBN: 978-3-570-55149-3
Preis: 14,99 €