Chefarzt Dr. Juan Valdes-Stauber
Am 17.01.13 war ich mit Carina unterwegs. Wir haben die SINOVA Klinik in Friedrichshafen besichtigt und mit deren Chefarzt, Dr. Juan Valdes-Stauber ein Interview geführt.
Vorab könnt Ihr einfach mal die Einführung von der Homepage der SINOVA Kliniken lesen:
„Eine Idee beginnt zu keimen, wird konkret und setzt sich erfolgreich durch. Wenn bestehende Strukturen keine passende Antwort auf immer größer werdende Problemfelder bieten, ist es Zeit, nach neuen Lösungen zu suchen – so wurde der SINOVA Verbund aus der Taufe gehoben.“
Die stärksten Sätze, die ich von diesem Nachmittag mit nach Hause genommen habe, nehme ich hier vorweg:
„Psychotherapie hat viel mit Demut zu tun: Ich kann nicht mehr. Bitte helft mir! Psychotherapie hat genauso wie die Psychiatrie viel mit Haltung zu tun. Was kann ich machen, um stärker zu werden? Resilienz ist ein aktuelles Schlagwort! (Resilienz ist die seelische Widerstandsfähigkeit eines Menschen, Stehaufmännchen wird diese zugeschrieben! Wir können alle immer wieder aufstehen!) Wo sind meine Schwächen? Wo liegen meine Grenzen? Die Psychosomatik arbeitet sehr viel mit der Lebensgeschichte. Wir haben Freud falsch verstanden, wenn wir unsere Probleme ausschließlich in der Kindheit suchen und wie ein Detektiv danach suchen, was liegt vergraben. Das ist Archäologie. Wir sollen uns aber fragen: Wie bin ich gestrickt? Was sind die Zusammenhänge, die Sinn machen? Was hat eine Rolle gespielt, dass ich nicht mehr konnte!? Wo kann ich mir selbst verzeihen!? Wie kann ich mich versöhnen, mit dem, was nicht zu verändern ist?!“ Auf meinen Hinweis, dass seine Ausführungen sehr philosophisch seien, erfuhren wir, dass Dr. Valdes-Stauber parallel zum Medizinstudium auch Philosophie studiert hatte.
Daniela S.: Was bedeutet der Name SINOVA?
Dr. Valdes-Stauber: Es handelt sich um ein Kunstwort, aber irgendwie verheißungsvoll, meinen Sie nicht?
Daniela S.: Lassen Sie uns das Pferd von hinten aufzäumen, bitte.
Ganz am Ende der ZfP Seite SINOVA lesen wir: „Daneben werden in der SINOVA Klinik alle für den Bereich der stationären Psychosomatik und Psychotherapie charakteristischen Krankheitsbilder behandelt, wie etwa Depressionen, Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Zwangs- und Essstörungen, funktionelle Störungen bzw. allgemeine Erkrankungen, bei denen im Hinblick auf Verursachung bzw. Aufrechterhaltung psychosoziale Faktoren eine besondere Rolle spielen.“
Wie definieren Sie psychosoziale Faktoren?
Dr. Valdes-Stauber: Der Mensch wird zur Person in ganz individueller Art und Weise nur in einem sozialen Raum als Mensch unter Menschen, die ihn prägen, zu bestimmten Auseinandersetzungen mit Lebensfragen zwingen, unterstützen, herausfordern oder tragen.
Der Mensch kann nur als soziales Wesen verstanden werden; seine Psyche ist von sozialen Faktoren geprägt, daher sprechen wir in den Sozialwissenschaften und in den Wissenschaften der Psyche von „psychosozialen Faktoren“, die untrennbar Psyche und Soziales in einem einzigen Gefüge berücksichtigen. Beispiele für psychosoziale Faktoren sind Beziehungen in der Schule, Arbeitsklima, Leistungsanforderungen, Qualität von Beziehungen, Besitz, Familienklima, Partnerschaft, kulturelle Angebote, Leben in der Fremde, oder finanzielle bzw. Wohnbedingungen.
Psychosoziale Faktoren können sich schützend, d.h. „protektiv“ oder aber belastend auswirken.
Psychosoziale Faktoren können aber auch als Quelle der Genesung dienen.
Psychosoziale Faktoren sind auch bei seelischen Krisen zu berücksichtigen, da sie von entscheidender Bedeutung bei der Überwindung derselben sein könnten, entweder als Quelle der Kraft oder weil sie einer Korrektur bedürfen. Daher sprechen wir bei psychosozialen Faktoren auch gerne von „Ressourcen“ und nicht nur – wie so oft verbreitet – von Belastungen.