Kindheit auf dem Land
Als ich über das Thema nachdachte, kamen mir diese Erinnerungen, die schon über 40 Jahre zurückliegen. Vielleicht komme ich ja jetzt in das Alter, in dem das Langzeitgedächtnis besser funktioniert als das Kurzzeitgedächtnis, eine Gleitsichtbrille habe ich ja auch schon.
Wenn im Herbst die ganze Verwandtschaft nebst Kindern anrückte, wussten wir, es wird anstrengend. Als Zehnjährige hätte ich viel lieber mit meinen Freundinnen gespielt, denn die mussten nicht wie ich im Garten helfen! Aber es gab natürlich auch angenehme Zeiten, in denen alle wieder zusammenkamen, nämlich: zum Geburtstag der Oma oder des Opas, zu Weihnachten oder zu Ostern.
Aber der Herbst ist Erntezeit und somit hieß es auch für uns Kinder ranklotzen. Es machte trotzdem auch Spaß. Wir Kinder machten einen Wettbewerb daraus, wer die meisten Kartoffeln aufgelesen hatte oder die größten. Dazu hatten wir Kinder zwei Körbe und einen Sack. In den einen Korb legten wir die großen Kartoffeln, in den anderen die normalen und kleinen, die viel mehr waren und die dann in den Sack wanderten. Als wir größer wurden, fanden wir heraus, dass auch die Erwachsenen darum buhlten, wer die größte Ausbeute gemacht hatte.
Im Herbst wurden auch die Äpfel geerntet. Doof fanden meine Cousine und ich, dass wir Mädchen nur die Falläpfel aufheben durften. Die Jungs durften in den Bäumen rumklettern, das hätte uns auch Spaß gemacht, aber es gehörte sich ja nicht.
Worauf wir alle hin fieberten, war das Kartoffelfest, da kamen wieder alle zusammen.
Wenn alle Kartoffeln gerodet und auch die Bohnen und Erbsen oder Gurken abgeerntet waren, wurde das ganze Laub auf einen Haufen gestapelt und wir machten daraus ein großes Feuer, darin wurden dann die Kartoffeln in der Glut gegart. Mir haben immer die Kartoffeln am besten geschmeckt, die schon ein bisschen angekokelt waren. Wenn dann das Feuer fast heruntergebrannt und nur noch Glut da war, legten wir Mett-Pakete hinein. Spätestens beim Kartoffelnbraten waren die Rückenschmerzen und Schwielen an den Händen verheilt und vergessen.
Das Kartoffelnbraten war auch bei den Vereinen und der Feuerwehr ein regelmäßiges Fest bei uns auf dem Dorf. Meist kaufte auch die Feuerwehr für ihre Veranstaltung Kartoffeln bei uns ein. Darauf war meine Mutter ganz stolz, denn das Kartoffelgeld durfte sie als Taschengeld für sich behalten.
Woran ich mich auch noch gern erinnere, ist das Kuchenbacken beim Bäcker. Ich weiß nicht mehr genau wie das war, aber wir durften zu bestimmten Zeiten große Kuchen auf den Bäckerblechen in seinem Backofen backen. Wir backten dann Apfelkuchen und Zwetschgenkuchen, auf den Zwetschgenkuchen kam dann noch ein Grießguss, der war total lecker, noch leckerer als der Kuchen, den der Bäcker verkaufte. Ich habe dann später mal versucht, den Zwetschgenkuchen mit dem tollen Grießguss nachzubacken, er schmeckte natürlich nicht so wie bei Oma.
Wenn ich so an Jetzt denke, finde ich es schade, dass meine Brüder und ich keine richtige Gelegenheit mehr zum Zusammentreffen finden. Wir treffen uns nach dem Tod unserer Eltern ganz selten. Aber meine Cousine und ich haben in diesem Sommer vereinbart, dass wir uns jedes Jahr einmal für ein paar Tage treffen. Dieses Jahr war ich bei ihr und es hat uns gutgetan. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr, wenn sie dann an den Bodensee kommt.