Feminismus im Lauf der Jahrhunderte


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Die Geschichte der Frauenbewegung und ihre Mitbestimmungsrechte, ist eine Geschichte gesellschaftlich benachteiligter Menschen, die über die Jahrhunderte für ihre Freiheit und Gleichheit kämpfen mussten. Lange Zeit mussten auch weniger privilegierte Männer der unteren Stände um ihre
Rechte kämpfen. Das Zensuswahlrecht schränkte beispielsweise die politische Mitbestimmung der Männer ein, weil es das Wahlrecht an den Umfang des Vermögens oder der Steuerleistung gebunden hat. Erst nach 1871 durften in Deutschland  alle Männer wählen. Das allgemeine Wahlrecht für beide Geschlechter gilt seit 1918/1919.

Trotzdem war die Frau im Laufe der Jahrhunderte immer in der schlechteren Position. Meist war sie dem Mann untergeordnet und hatte keine Freiheit, ihr Leben selbst zu bestimmen. Erst durch einen Wandel im Denken der Menschen, der sich beispielsweise in der französischen Revolution ausgedrückt hat (Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit), wurde ein Umbruch starrer Gesellschaftsordnungen möglich.

Erstaunt hat mich die Gewalt, die auf Frauen ausgeübt wurde. Für ihr Recht, den Mund aufmachen zu dürfen, ihren häuslichen Bereich zu verlassen, einen Beruf auszuüben und politisch mitzuentscheiden, landeten sie im Irrenhaus oder im Exil, im schlimmsten Fall wurden sie hingerichtet oder als Hexen diffamiert.

 

Perlenohrring

Jan Vermeer, 1665, „Das Mädchen mit dem Perlenorhrring“ gemalt von R. T. 2015

Frauen in der Renaissance

In der Renaissance im 15.Jh. und 16. Jh. (Übergangsphase zwischen Mittelalter und Neuzeit) war es Frauen erlaubt, einen Beruf auszuüben. Zumindest in den Städten arbeiteten Frauen im Textilgewerbe und als Hebammen, verdingten sich als Dienstboten oder hielten sich als Marketenderinnen über Wasser. Selbst körperlich schwere Männerarbeiten wie das Schmieden führten sie aus. Auch in Zünften wurden sie aufgenommen. Allerdings war das Frauenbild der Kirche sehr kontraproduktiv: Die Frau galt als minderwertig, sündig und immer bereit, den Mann zu verführen. Da wundert es nicht, dass etlichen Kirchenmännern die selbständigen Frauen unheimlich wurden. Sie führten die Hexenprozesse ein, die etlichen Frauen das Leben kostete. Der letzte Hexenprozess fand in Deutschland 1749 statt; die letzte Hinrichtung einer Frau als Hexe war 1782 im Kanton Glarus in der Schweiz. Rechtlich stand die Frau unter der Vormundschaft des Mannes. Die Trauungsformel „Die Frau sei dem Manne untertan“ galt bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Außerdem durften sie keine öffentlichen Ämter bekleiden und wurden im Durchschnitt von 12-16 Jahren verheiratet.

Mit dem Beginn der Arbeitsteilung im 18. Jahrhundert waren der Mann für das Geldverdienen, die Frau für die Haushaltsführung und die Kindererziehung zuständig. Die Frau war völlig abhängig vom Mann und hatte allein die Pflicht, ihrem Mann ein schönes Zuhause zu schaffen. Rechte hatte sie keine. Auch kein Recht auf Bildung. Nur einige Frauen nahmen die Möglichkeit wahr, in den seit dem 16. Jahrhundert gegründeten Frauenorden, eine gute Allgemeinbildung und Literaturkenntnisse zu erlangen. Mit der Aufklärung, die gesellschaftspolitisch auf die Emanzipation des Menschen, in den Bereichen Menschenrechte Bildung und Bürgerrechte zielte, findet ein Wandel im Denken der Menschen statt.

 

Französische Revolution

Die Französische Revolution ist ein Beispiel für diesen Wandel im Denken und gilt als Auslöser für viele Freiheitsbestrebungen in Europa. Soziale Spannungen unter den Ständen (Adel, Klerus, 98% Bauern und Bürger), ein drohender Staatsbankrott, auch ausgelöst durch das verschwenderische Hofleben König Ludwigs des XVI., und von der einfachen Bevölkerung kaum zu bezahlende Brotpreise führten zur Erhebung des Volkes gegen das Feudalsystem. Am 14. Juli 1789 kommt es zum Sturm auf die Bastille. 8000 – 9000 Frauen, teilweise bewaffnet, marschierten aus ihrer sozialen Not heraus im sogenannten Brotmarsch nach Versailles und zwangen den König nach Paris zu gehen. Darauf verkündete die neugegründete Nationalversammlung in Anlehnung an die amerikanische Unabhängigkeitserklärung die Menschen-und Bürgerrechte.

Eine herausragende Frau in dieser Zeit war Olympe de Gouges, welche die Schrift “Die Rechte der Frau“ verfasste. Darin stellt sie die Frage:„Mann bist du fähig gerecht zu sein? … Wer hat dir die unumschränkte Herrschaft verliehen, mein Geschlecht zu unterdrücken?“ Im Artikel 1 ihrer Schrift heißt es:„Die Frau wird frei geboren und bleibt dem Mann an Rechten gleich“. Berühmt ist ihr Artikel 10, der lautet:„Die Frau hat das Recht auf das Schafott zu steigen, sie muss gleichermaßen das haben, ein Podium zu besteigen.“ 1793 wurde sie in einer radikal werdenden politischen Situation guillotiniert. Die Revolution versinkt im Terror, Napoleon kommt an die Macht. 1804 veröffentlicht er den »Code civil«, das erste Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Zentrale Freiheitsgedanken der Revolution bündelt Napoleon damit zu einer bis heute gültigen Gesetzesform.

Im Kapitel IV zeigt sich Napoleons Vorstellung von der Geschlechterordnung: “Der Mann schuldet seiner Frau Schutz, sie ihm Gehorsam (§213). Sie muss mit ihm zusammenwohnen und ihm überall hin folgen, wenn er entscheidet umzuziehen (§217). Das in der Revolution verabschiedete frauenfreundliche
Scheidungsrecht wird stark eingeschränkt.

Am 4. Juli 1776 hat Amerika seine Unabhängigkeitserklärung (Loslösung von Großbritannien) und die Menschenrechte verkündet (All men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights.“) – „Alle Menschen sind von Natur aus gleich frei und unabhängig und haben bestimmte ihnen innewohnende Rechte“.

 

Korsett

Korsett 1890 Zeichnungen von R.T.

Deutschlands Revolution 1848

Deutschland hatte seine Revolution 1848. Auslöser war auch hier eine zunehmende Verelendung der unteren Bevölkerungsschichten durch die fortschreitende Industrialisierung. (Weberaufstände). Politisch forderte man einen Nationalstaat statt des lockeren von Fürsten regierten Bundes deutscher Einzelstaaten. Liberale und Demokraten forderten die Abschaffung des Absolutismus, die Aufhebung der Vorrechte des Adels und mehr Mitbestimmung für die Bürger. Die Mehrheit war für eine konstitutionelle Monarchie. Die Revolution scheiterte an Friedrich Wilhelm IV.. Hoffnungsträger war der spätere Reichskanzler Bismarck, der liberalen Ideen zugeneigt war.

 

Und die Frauen in Deutschland?

Mit der Revolution begannen auch die Frauen sich Gedanken über Ihre Arbeits-und Lebensbedingungen zu machen. Die Frauen der ärmeren Schichten waren anfangs des 19. Jahrhunderts als Dienstmägde, Ammen, Köchinnen oder in der Landwirtschaft als Mägde tätig. Die Arbeit war hart; die Arbeitstage waren lang. Frauen, die nicht unter dem Schutz der Familie standen wie Witwen und Alte, waren nicht selten auf Spenden und Mildtätigkeit von Klöstern und Kirchen angewiesen. Mit der Industrialisierung wurden Frauen zunehmend Arbeiterinnen in der Textil-und Tabakindustrie, in Bergwerken und in Fabriken. Sie erhielten aber lediglich 1/3 des Lohnes des Mannes bei gleicher Arbeitsleistung. Viele Frauen treibt es zu dieser Zeit in die Prostitution.

Stand bei den arbeitenden Frauen der unteren Schichten das nackte Überleben im Vordergrund und damit ihre Forderungen nach sozialen Verbesserungen, so organisierten sich immer mehr Frauen aus dem bürgerlichen Milieu, um Mitspracherecht in der Öffentlichkeit zu erlangen. Den bürgerlichen Frauen war ein Beruf nicht erlaubt, so organisierten sie Vereine, gründeten Zeitungen und setzten sich für mehr Bildung ein, damit sie als Frauen aus dem Haus kamen, arbeiten und politisch mitwirken konnten.

Ab ca. 1820 entstanden sogenannte höhere Töchterschule und Mädchenpensionate für Mädchen der höheren Gesellschaftschichten. Allerdings war Allgemeinbildung nicht das Ziel, vielmehr sollten die Mädchen auf ihre Rolle als Mutter und Hausherrin vorbereitet werden.

1865 wurde der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) von Louise Otto-Peters und Auguste Schmidt gegründet. Ziele waren Bildung und Selbständigkeit der Frau zur „Bereicherung der ganzen Gesellschaft“. Erwähnenswert ist auch, dass es immer wieder Versuche der Politik gab, Frauen im Äußern ihrer öffentlichen Meinung zu hindern. Beispielsweise durch Versammlungsverbote und Vereinsverbote seitens der Obrigkeit.

Hutmode

Hutmode

Ab 1893 wurden die ersten „Gymnasialkurse“ für Mädchen eingerichtet und somit die Möglichkeit für sie Abitur zu machen. Im Jahr 1900 erlaubte Baden als erster Staat im deutschen  Reich Frauen das Hochschulstudium, 1920 erhielten Frauen das Habilitationsrecht. Ab 1924 erhielten sie die Möglichkeit, Richterin zu werden. Dass Frauen studieren konnten, stieß von Seiten der Männer auf wenig Begeisterung; von vielen Professoren hagelte es Proteste.

Am 30. November 1918 trat in Deutschland das Reichswahlgesetz mit dem allgemeinen, aktiven und passiven Wahlrecht für Frauen in Kraft. Damit konnten Frauen am 19. Januar 1919 zum ersten Mal in Deutschland reichsweit wählen und gewählt werden. 300 Frauen kandidieren; 37 Frauen wurden schließlich gewählt.

 

Frauen im Nationalsozialismus

Mit dem Nationalsozialismus und Hitlers Machtergreifung (1933) begann für die Frauen wieder eine Rückwärtsbewegung zu alten Rollenbildern der vorherigen Jahrhunderte. Die Frau war dem Manne wieder untertan; sie war das Weibchen zu Hause, das zu allererst Mutter sein sollte, die Gebärerin der neuen arischen Rasse. Hitler erklärte:„Der Begriff der Emanzipation sei ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort. Wir empfinden es als nicht richtig, wenn das Weib in die Welt des Mannes eindringt, sondern wir empfinden es als natürlich, wenn diese beiden Welten geschieden bleiben.“

Es war unerwünscht, dass die deutsche Frau erwerbstätig war. Die Regierung veranlasste einige Belohnungssysteme, Steuervergünstigungen, niedrige Kredite für kinderreiche Paare, Ehrenkreuz deutscher Mütter, Einführung des Muttertages etc., um die Frauen von der Arbeitswelt fernzuhalten und Paare zum Kinderreichtum zu animieren. Außerdem wurde den Frauen das passive Wahlrecht abgesprochen, d.h. sie waren nicht mehr wählbar; sie wurden nicht mehr zu Justizberufen zugelassen; der Frauenanteil an Universitäten wurde auf 10% limitiert. Vereine wie der Dachverband deutscher Frauenvereine mussten sich unter dem Druck der Nationalsozialisten auflösen.

Der Ehemann war berechtigt, alle Entscheidungen zu treffen, auch ob seine Frau den Beruf aufgeben musste. Er konnte sich sogar scheiden lassen, wenn seine Frau keine Kinder bekommen konnte oder wollte.

Besondere Belastungen kamen auf die Frauen während des Krieges zu. Da es durch den Ausfall der Männer an der Front immer weniger Arbeitskräfte gab, änderte die nationalsozialistische Führung die Richtung – jetzt waren die Frauen als Arbeitskräfte nötig! Sie arbeiteten in Rüstungsbetrieben als Wehrmachtshelferinnen, Telefonistinnen, Funkerinnen etc.. Hinzu kam, dass sie als alleinstehende Frauen die Kinder irgendwie versorgen mussten. Daher arbeiteten viele Frauen in Nachtschichten in den Fabriken. Lebensmittel wurden knapp; so wurde Gemüse selbst angebaut. Frauen in dieser Zeit hatten erhebliche existentielle und seelische Sorgen. Neben der Sorge um Nahrungsmittel mussten bei Bombenangriffen die Kinder und das eigene Leben in Sicherheit gebracht werden; Angst um den Ehemann an der Front kam auch dazu.

 

Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg

Im Mai 1945 kapitulierte Deutschland bedingungslos. Die Alliierten Siegermächte (USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich) teilten Deutschland untereinander auf. 1946 erlaubten die Aliierten Frauen und Kindern über 14 Jahren Aufräumarbeiten. Circa 400 Millionen Kubikmeter Schutt mussten beseitigt werden. So entstand der Begriff der »Trümmerfrauen «. Die Männer waren oft noch in Gefangenschaft oder als Soldat gefallen. Daher begannen die Frauen, sich wieder in Frauenausschüssen und Vereinen zu organisieren. Politischer Erfolg für die Frauen war, dass folgender Satz 1949 ins Grundgesetz aufgenommen wurde. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

In den 50er Jahren, nachdem sich das Leben nach dem Krieg wieder zu normalisieren begonnen hatte, kehrten allerdings sehr viele Frauen wieder an „den Herd“ zurück und verfielen wieder in ihre traditionelle Frauenrolle. Vielleicht war dies auch der Sehnsucht nach ein Stück heiler Welt zuzuschreiben. In der DDR, gegründet 1949, gab es mehr erwerbstätige Frauen. Der Staat richtete zahlreiche Betreuungsmöglichkeiten für berufstätige Mütter ein, allerdings konnte er dann auch viel mehr Einfluss auf seine Bürger ausüben …

 

Frauen und die 68er Jahre

1968 begann sich der „Moderne Feminismus“ zu formieren. Es ging nicht nur um die rechtliche Gleichstellung der Frau, sondern darum, patriarchalische Strukturen aufzubrechen. Großes Thema war das Recht, über den eigenen Körper bestimmen zu können.

Viele Frauen demonstrierten gegen den §218, der die Abtreibung unter Strafe stellt. 1871 gab es bei Abtreibung eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren. 1926 wurde erstmals eine medizinische Indikation anerkannt, d.h. Straffreiheit der Mutter bei Gefährdung des Lebens der Mutter. 1976 wurden die Indikationen erweitert. Eine Abtreibung war außerdem möglich bei Vergewaltigung, familiärer oder finanzieller Notlage der Frau. 1995 sind Abtreibungen zwar immer noch rechtswidrig, aber innerhalb der ersten 12 Wochen straffrei, wenn die Frau eine vorschriftsmäßige Beratung nachweist. 1960 wird in den USA erstmals die Anti-Baby Pille eingeführt. Für Deutschland steht sie den Frauen 1961 als völlig neues Verhütungsmittel zur Verfügung.

Die starke Bindung von Sexualität an die Ehe wurde aufgebrochen. Plötzlich gab es voreheliche sexuelle Kontakte. Ab den 70er Jahren lebten immer mehr Paare in nicht ehelichen Verhältnissen miteinander. Neue Wohnformen entstanden; Kommunen und Wohnungsgemeinschaften bildeten sich. Im Jahr 1977 kam es zu wichtigen Reformen im Ehe-und Familienrecht. Vorher hatte die „Hausfrauenehe“ gegolten, d.h. der Mann war für den Gelderwerb zuständig, die Frau für die Versorgung des Haushaltes. Jetzt sollten die Eheleute die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln. Es entstanden das Mutterschutzgesetz und 1979 der Mutterschaftsurlaub.

Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe wurden zum Thema. Das erste Frauenhaus wurde 1976 in Berlin gegründet und löste eine Welle neuer Frauenhausgründungen aus. Frauen zogen in die Politik ein – 1972 wird mit Annemarie Renger erstmals eine Frau Bundestagspräsidentin. Frauen publizieren ihre eigenen Ideen; sie schreiben Frauenliteratur; gründen Frauenverlage.

 

Heute:

Dass Gewalt gegen Frauen immer noch ein Thema ist, beweisen zahlreiche Schlagzeilen in den Medien. Da gibt es Massenvergewaltigungen in Indien, die Zwangsehe oder die traditionelle Beschneidung/Verstümmelung der weiblichen Genitalien etc..

Weniger spektakulär, aber genauso schwerwiegend ist die Gewalt in Partnerschaften oder in der Ehe. Erst seit 1997 gilt die Vergewaltigung in der Ehe als strafbar.

Im Berufsleben sind die Frauen noch längst nicht gleichgestellt; immer noch verdienen sie weniger als die Männer und besetzen weniger Spitzenpositionen als diese. Daher soll wohl auch die Quotenregelung 2016 kommen. Und immer noch haben Frauen meist die Doppelbelastung von Beruf und Haushalt zu tragen. Die Betreuung und Unterbringung der Kinder ist für berufstätige Mütter oft ein kostenspieliges oder fast unlösbares Problem. Sich für die Rechte der Frauen einzusetzen bleibt für viele Frauen ein hochaktuelles Thema. Was typisch Frau und typisch Mann ist, werden wir als Gesellschaft immer neu definieren. Die Geschlechterrollen verändern sich ständig.

E.T.

Collage gemalt von R. T.2015

Collage gemalt von R. T.2015