Ess-Sucht (Binge Eating Disorder) Innerer Zwang zur Völlerei


Bei Ess-Störungen gibt es keine Abstinenz, Essen ist lebensnotwendig.

Diese Störung ist noch ganz jung. Erst Mitte der 80er Jahre ist sie in den Blick der Experten gerückt, dass war rund 10 Jahre nach der Entdeckung der Bulimie. Offiziell ist sie erst seit 1994 als psychische Krankheit klassifiziert.

Eine amerikanische Studie zur Ess-Brech-Sucht ergab, dass eine Mehrzahl der Untersuchten Essanfälle hatten, aber anschließend sich nicht erbrachen oder Abführmittel einnahmen.
Es wird geschätzt, dass rund 1,5 – 2,0 Millionen Deutsche unter dieser Störung leiden. Sie ist daher die häufigste Ess-Störung.
Der Auslöser für diese Krankheit ist noch wenig erforscht. Ess-Süchtige essen schneller als normal. Richtige Essanfälle gehen mit einem totalen Kontrollverlust einher. Betroffene wissen dann nicht mehr was sie tun. Sie fühlen sich machtlos und ferngesteuert, können sich manchmal nicht einmal an den Essanfall erinnern.
Die Kriterien für Ess-Sucht sind:

 

 

  • Mindestens an 2 Tagen der Woche treten Essanfälle auf.
  • Es besteht ein deutlicher Leidensdruck.
  • Auf die Essanfälle folgen keine, der Gewichtszunahme gegensteuernden Maßnahmen, wie Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch.
  • Ess-Süchtige essen schneller als Normalgewichtige.
  • Sie essen bis zu einem unangenehmen Völlegefühl, kennen aber kein Satt-Gefühl.
  • Sie essen alleine, aus Verlegenheit über die Menge, die sie essen.
  • Ekelgefühle gegenüber sich selbst
  • Deprimiertheit oder große Schuldgefühle nach einem Essanfall.
  • Essanfälle werden nicht durch starke Hungergefühle ausgelöst.

Bei den unkontrollierten Essattacken werden meistens fettreiche und süße Lebensmittel gegessen, die sehr viele Kalorien enthalten.

Folgen der Ess-Sucht:
Die körperlichen Folgeschäden bei Übergewicht (BMI über 30):

  • Herz-Kreislauferkrankungen
  • Bluthochdruck
  • Schlaganfall
  • Herzinfarkt
  • Gelenkleiden
  • Wirbelsäulenschäden
  • Diabetes mellitus

Aber auch einige Medikamente (Blutdruckmittel, Antidepressiva) machen eine Gewichtsreduktion sehr schwer. Es wäre aber zu leicht, jetzt alles auf diese Medikamente zu schieben.
Seelische Folgen können sein:

  • Resignation
  • Flucht in Tagträume
  • Antriebslosigkeit
  • Depressionen
  • Hass auf den eigenen Körper
  • Vermeidung von „in-den-Spiegel-schauen“
  • Probleme, seine eigenen Grenzen   zu spüren

Zusätzlich kann es zu Alkoholmissbrauch, Angstzuständen und Zwängen kommen.

Wege aus der Ess-Sucht:

  • Sich beim Essen ganz auf das Essen zu konzentrieren und nicht dabei zusätzlich fernsehen
  • Körpersignale wahrzunehmen
  • Regelmäßige Bewegung wie Treppensteigen, Spazieren gehen oder Schwimmen
  • Streitgespräche beim Essen vermeiden
  • Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Ess-Sucht ist keine Frage des Alters. Ein erster Schritt aus dieser Sucht herauszukommen, ist  das Wiedererlernen von genussvollem und regelmäßigem Essen. Betroffene müssen lernen, ihre Körpersignale wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren.
Behandlung der Ess-Sucht:
Die Behandlung kann ambulant oder teilstationär (Tagesklinik) erfolgen, manchmal ist aber auch eine stationäre Behandlung erforderlich. Besonders profitieren Betroffene von einer Gruppentherapie. Auch ist es sinnvoll, Familienangehörige in die Therapie mit einzubeziehen.

Zur Frage, ob Ess-Sucht genetische Ursachen hat, besteht noch keine Einigkeit, aber es kann gesagt werden, dass es eine Veranlagung dazu gibt.Betroffene sind besonders in der Altersgruppe zwischen 20-30 Jahren und 40-50 Jahre zu finden.
Quellen: www. gesundheit.de,
Essstörungen.de und Wikipedia.

Vera T.

Wenn Essen zur Sucht wird – Oder die Scheu vor dem Leben….

Erfahrungsbericht einer Betroffenen:
Heute frage ich mich immer: Wie konnte es nur so weit kommen? Wie ist es möglich, dass ich mir so viele Jahre selbst etwas vorgemacht habe. Jahre habe ich verstreichen lassen, ohne eigentlich zu spüren. Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen bzw. zu registrieren. Ich habe jahrelang den Großteil meiner Gefühle – Gefühle mit denen ich nicht umgehen konnte – einfach zugefressen. Mit Essen betäubt. Was der Alkohol für den Alkoholiker ist, ist für mich das Essen – ein Suchtmittel, dem gegenüber ich machtlos bin bzw. die Sucht mich beherrscht. Ess-Sucht heißt für mich, spontane, unvorhergesehene Heißhunger-attacken mit zu großen Portionen, d.h. übermäßigem, wahllosem Essen zu unterschiedlichen Tageszeiten – meistens Abends oder Nachts. Keine Ess-Struktur zu haben – immer dann zu essen, wenn meine Sucht es „verlangt“, nicht wenn ich Hunger habe bzw. verspüre.

Ich habe meine Sucht fast 30 Jahre verborgen bzw. sie auch nicht wahrhaben wollen. Es nie gewagt, mich einem anderen Menschen anzuvertrauen. Ich habe es nicht einmal so richtig erkannt oder besser: ich wollte es nicht sehen, dass ich süchtig bin, das ich immer häufiger in den unterschiedlichsten Situationen zum Essen griff. Wenn ich Stress, Frustration, Angst, mangelnde Zuwendung, Gefühle – auch positiver Art – glaubte nicht aushalten zu können, dann habe ich mich mit Essen betäubt. Meine eigentlichen Probleme – Angst vor Nähe, Angst davor keine Nähe zu bekommen, Angst vor Menschen bzw. Menschenansammlungen, Angst vor dem Leben, die Suche nach mir – das alles hat mir so viel Angst gemacht, dass ich es vorgezogen habe, nur noch ein einziges Problem zu haben: meine immer schlimmer werdende Fresssucht.
Ich war überzeugt, dass ich all meine Probleme gar nicht erst anzugehen brauche, solange ich nicht ein ganz normales Essverhalten habe.
Ich raubte mir dadurch jegliche Energie zum Eigentlichen – und diese Esspraktiken habe ich teilweise bis heute beibehalten. Denn bis heute bin ich immer noch eingeschränkt in der Lage, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen und Konsequenzen zu tragen. Meine Angst und mein extremes Sicherheitsbedürfnis sind noch viel zu groß.

Doch mittlerweile bin ich auf dem richtigen Weg. Ich habe angefangen, etwas gegen meine Sucht zu tun als mein Leidensdruck bzw. die Sinnfrage so groß wurde, dass ich glaubte es nicht mehr auszuhalten zu können. Als ich mich dermaßen nahe dem Tod und dem Leid gefühlt habe, habe ich auf einmal – auch während meiner zwei-monatigen stationären Therapie – gespürt, wie gerne ich leben möchte. Ich möchte lachen, glücklich sein, lieben und geliebt werden, aber auch Angst, Schmerzen, Wut und Verzweiflung spüren und aushalten können. Mein oberstes Ziel ist – auch wenn es bis dahin noch ein weiter, steiniger Weg sein wird – ein normales Essverhalten bzw. eine Essstruktur mit täglich 3 Mahlzeiten zu erreichen. Und ich werde es schaffen!!!!

Anonym