Bulimie – Wenn das Leben zum Kotzen ist
Die Bulimie ist gekennzeichnet durch Heißhungerattacken, gefolgt von selbst herbeigeführtem Erbrechen. Bei den Fressanfällen wird wahllos alles, was der Kühlschrank und Vorratsschrank hergeben, hineingestopft. Oft handelt es sich dabei um Lebensmittel, die sonst tabu sind, also fett- und kohlehydratreiche Nahrungsmittel. Bei so einem Anfall nehmen die Betroffenen zwischen 10.000 und 50.000 Kcal. zu sich. Solche Attacken können 1-2 x wöchentlich bis zu 20 x pro Tag vorkommen.
Die Bulimikerinnen sind wahre Meister darin, ihre Attacken zu verheimlichen. Damit ihr Verhalten nicht auffällt, gehen die Betroffenen in verschiedenen Supermärkten einkaufen. Da die Fressanfälle auch teuer sind, begehen ca. 20 % der Menschen mit Bulimie, Ladendiebstähle.
Familiäre Einflüsse spielen bei der Bulimie eine große Rolle. Viele Betroffene wachsen sehr behütet auf, in der Familie herrscht oft ein erhöhter Leistungsdruck, Konflikte werden jedoch nicht ausgetragen. Gründe für das Erbrechen sind vor allem die Angst vor Gewichtszunahme, aber auch Scham über den eigenen Kontrollverlust/das eigene Versagen. Durch die Überbehütung kann es schwer sein, eine Selbstständigkeit zu entwickeln und für das Selbstwertgefühl ist es entscheidend, wie viel Kilos die Betroffenen wiegen.
Ein häufiges Zeichen für die Bulimie ist die sogenannte Körperschematörung. Dabei nehmen sich die Betroffenen viel dicker wahr, als sie wirklich sind. Die Körperschemastörung haben alle drei Ess-Störungen, wie Magersucht, Bulimie und Ess-Sucht gemeinsam. Daher sind die Grenzen zwischen diesen Störungen auch fließend. Nicht selten entsteht eine Bulimie aus einer vorangegangenen Magersucht, wobei viele Betroffene ein Gewicht haben, das im Bereich des Normalgewichts liegt. Die nach einer Fressattacke befürchtete Gewichtszunahme ist sehr bedrohlich für die Betroffenen, dadurch versuchen sie auch, durch das Erbrechen oder harntreibende Medikamente das Gewicht zu regulieren. Es kommt nicht selten zu exzessivem Sport oder Hungern.
Durch die Bulimie kann es zu einer Reihe von Schäden kommen, wie Entzündung der Speiseröhre, ausgelöst durch die Magensäure, auch Zähne können dadurch geschädigt werden. Eine Bulimie kann auch lebensgefährlich enden, da durch das vermehrte Erbrechen der Elektrolyt-Haushalt durcheinander gebracht wird. Dem Körper fehlen dann wichtige Mineralien, wie Kalium, Eisen, Natrium und Kalzium. Auch Herzrhythmus-Störungen sind häufig. Gravierende Folgen sind auch Nierenschäden und Osteoporose.
Viele Betroffene haben auch Probleme mit dem Trinken. Durch das gestörte Essverhalten geht auch das Durstgefühl verloren. Das Problem ist, ohne Flüssigkeit trocknet der Körper aus, das Blut verdickt sich und kann weniger Sauerstoff transportieren und wird nicht ausreichend gereinigt. Es entstehen Stoffwechsel- und Nierenprobleme. Aber auch das Wohlbefinden leidet unter dem Trinkverhalten, es treten Depressionen auf oder Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen, die sich nicht allein durch regelmäßige Flüssigkeitsaufnahme beheben lassen. Die Depressionen können durch die Gabe von Antidepressiva behandelt werden, wobei aber bei Bulimikerinnen die therapeutische Dosis meist um das drei- bis vierfache erhöht ist.
Eine Bulimie lässt sich behandeln, durch Umstellung des Essverhaltens, Reduktion der Essanfälle und dem Erlernen und dem Aufbau einer realistischen und angstfreien Wahrnehmung sowie der Bewertung der eigenen Figur und Verringerung des stressauslösenden Essverhaltens.
Die psychotherapeutische Behandlung bei Bulimie kann meist ambulant erfolgen. Hier wird die kognitive Verhaltenstherapie empfohlen, hierbei wird mit Problemlösungsstrategien gearbeitet. Da die Fressanfälle meist in Stresssituationen auftreten, soll hier ein besserer Umgang mit diesen Faktoren erlernt werden. Bei der Gestaltungstherapie geht es darum, durch Mal- oder Musiktherapie Gefühle und Konflikte auszudrücken, die diejenigen nicht direkt ansprechen können oder wollen.
Quelle: Gesundheitsdirektion des Kantons Zug: Essstörungen, Pschyrembel//Wikipedia.org; Bulimie-online.de
Vera T.
Meine Geschichte
Durch viele Therapien und Klinikaufenthalte hatte ich meine langjährige Magersucht besiegt, so dachte ich. Die Angst vorm Zunehmen blieb, aber nicht die vorm Essen. Ich hatte keine Hunger- und Satt-Gefühle; da war es schwer, die richtige Portion zu finden. Wenn ich in Gesellschaft aß, was für mich fast unmöglich war, legte ich immer Wert darauf, am wenigsten zu essen, wichtig war auch, dass ich als erste fertig war. Es war ganz unmöglich für mich, weiter zu essen, wenn ein Anderer schon fertig war, da musste ich auch ganz schnell mein Besteck zur Seite legen. Zu Hause aß ich ganz wenig. Aber ich hatte eine heimliche Leidenschaft entwickickelt, von der niemand etwas wissen durfte, das waren Süßigkeiten.
In einer der Therapien hatte ich auch eine Mitpatientin, die ganz viel in sich reinstopfte und sich dann den Finger in den Mund steckte und alles erbrach. Das wollte ich für mich nicht, aber ich wollte auch den Geschmack von Bonbons und Schokolade haben, also lutschte ich diese Köstlichkeiten nur an und spuckte sie sofort aus, ich schluckte sie nicht runter, aber ich brauchte auch nicht auf den Geschmack verzichten. So fing meine Bulimie an.
Nach den Süßigkeiten konnte ich auf einmal auch nicht mehr so auf manche andere Nahrungsmittel verzichten. Anfangs traten die Essattacken nur heimlich auf, es waren aber sehr kalorienreiche Sachen. Abführmittel halfen auch nicht mehr, so versuchte ich es auch mal mit dem Übergeben. Erstaunlich war, dass es mich nicht mehr ekelte und auch ganz einfach war. Ich hatte für mich eine Methode gefunden, um „normal“ zu wirken. Wenn ich in Gesellschaft aß, aß ich weiter meine Miniportionen, aber dann zu Hause stopfte ich alles rein, was der Kühlschrank, die Vorratsschublade und mein Süßigkeitsdepot hergaben. Wenn es mal nicht mit dem Erbrechen klappte, weil mich ein Telefonanruf abgelenkt hatte, nahm ich einfach mehr Abführmittel und musste dann noch ein Fitnessprogramm absolvieren, das ich für mich entwickelt hatte, es war dann auch egal, wie spät es war.
Mit den Essattacken wurde es so schlimm, dass ich diese richtig vorbereitete, sprich, dafür einkaufte. Mir vorzustellen, was ich alles essen würde, war fast schöner als die Essattacken, denn das hatte mit Genuss nichts mehr zu tun, es war die reine Gier. Ich dachte fast den ganzen Tag daran, was ich wann essen würde und daran, welche Lebensmittel ich in welchem Laden kaufen würde. Ich kaufte auch nicht alles in einem Laden, weil ich dachte, die wissen dann bestimmt, dass ich alles am Abend aufessen würde. Als ich noch allein wohnte, war es auch kein Problem, die Attacken vorzubereiten und auch für einen oder zwei Tage später einzukaufen. Ich stopfte wirklich alles in mich hinein. Es gab aber auch unvorbereitete Essattacken, die fingen meist mit einer normalen Portion an, aber ich konnte dann einfach nicht mehr aufhören, dann musste aber auch alles rein was an Essbarem da war.
Seit einem Jahr versuche ich, wieder „normal“ zu essen. Als ich letztes Jahr noch bei der Tafel einkaufen war, war es ganz schwer, die Übersicht zu behalten und nicht am gleichen Tag oder am nächsten alles in mich reinzuschaufeln.
Meine Gesprächstherapie, die tiefenpsychologisch fundiert ist, und die begleitende Ergotherapie haben mir auch sehr geholfen, ein richtiges Maß zu finden und das nicht nur beim Essen.
Vera T.