Behindert und trotzdem normal!
Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz habe ich immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, wie ich meine 50% Behinderung gut verkaufen kann.
Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz habe ich immer wieder nach Möglichkeiten gesucht, wie ich meine 50% Behinderung gut verkaufen kann. Dabei bin ich auf das Gesetz des neunten Sozialgesetzbuch SGB IX Teil 2 Kapitel 2 gestoßen. Darin geht es um die Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Menschen. Genau bedeutet dies, dass ein Betrieb ab einer Größe von 20 Mitarbeitern, 5% der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Mitarbeitern besetzen sollte. Ansonsten ist der Betrieb dazu verpflichtet, eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Diese ist:
105 Euro, wenn die Beschäftigungsquote ab 3% bis unter 5% liegt. Ab 2% bis unter 3% sind dies 180 € pro Monat und bei unter 2% sogar 260 €.
Es gibt noch eine zweite Möglichkeit der Zahlungspflicht zu entgehen. Nämlich indem die Firmen Aufträge an die Werkstätte für behinderte Menschen oder deren Zusammenschlüsse erteilen. Dadurch können bis zu 50% auf die zu zahlende Ausgleichsabgabe gespart werden.
Beim Herumfragen im Freundeskreis, habe ich immer mal wieder gehört, dass lieber die Ausgleichsabgabe gezahlt wird, anstatt ein Risiko einzugehen. Ich verstehe das, doch was bedeutet das für mich?
Es ist also an der Zeit, einige Arbeitgeber davon zu überzeugen, dass es sich sehr wohl lohnt:
Ein Argument ist der unabhängige Integrationsfachdienst, der meine Rechte und die des Arbeitgebers berücksichtigt. Sollten irgendwelche Schwierigkeiten entstehen, versucht dieser zu vermitteln. Dadurch habe ich mich getraut, zu sagen, dass sechs Arbeitsstunden für mich ideal sind. Eine Stabilität meiner psychischen Erkrankung ist dadurch auch eher gewährleistet.
Durch unterschiedliche Praktika ist mir außerdem klar geworden, dass der Arbeitgeber nichts über die Erkrankung wissen braucht, welche Diagnose und Symptome ich hatte oder habe. Es ist völlig ausreichend zu erzählen, dass ich soweit wieder belastbar bin.
Im Endeffekt gibt es natürlich viele Vorurteile über psychische Erkrankungen und die Betroffenen sind die Einzigen, die dies verändern können. Es verlangt bestimmt niemand von mir, dass ich die privatesten Dinge erzähle. Doch wenn ich die Bereitschaft zeige über die Symptome zu sprechen und Fragen beantworte, kann ich viel bewegen. Meine Erfahrung ist auch, dass doch fast jeder mit psychischen Erkrankungen in Kontakt kam oder etwas gehört hat. Am Ende fehlt meistens einfach der Mut darüber zu sprechen.
… und dass sagt der Arbeitgeber!
Wir haben Überlinger Arbeitgeber gefragt, wie Sie über die Integration von psychisch Erkrankten denken.
- Wir haben mit Strom zu tun und das ist eine gefährliche Sache. Uns ist das Risiko zu groß, wenn derjenige nicht voll konzentriert ist und einen Stromschlag bekommt, tragen wir die Folgeschäden. Im kaufmännischen Bereich wäre das möglich, wenn wir genügend Arbeit hätten.
- Es ist sehr schwierig. Auf der einen Seite ist es wichtig Schwerbehinderte einzustellen, auf der anderen Seite ist es ungerecht den nicht behinderten Angestellten gegenüber. Denn man wird Schwerbehinderte schwer wieder los. Außerdem muss man immer Angst vor Ausfällen und Krankheit haben, zum Beispiel eine Heulsuse kann ich nicht brauchen. Es ist immer ein Abenteuer jemand einzustellen, den man nicht kennt. Wenn das im Allgemeinen überhaupt mal vorkommt, dann kennt man denjenigen über jemand Bekannten.
- Bei uns im Job muss man gesund und fit sein, manchmal bis zu 14 Stunden am Tag. Sonntags wird gearbeitet, also man muss sehr belastbar sein. Wenn man ständig oder kaum kann, das geht einfach nicht. Also ich tendiere dazu „nein“ zu sagen.
- Bei uns im Unternehmen ist das etwas schwierig. Wenn derjenige rehabilitiert ist, würde ich ihn einstellen. Das ist allerdings in den letzten 40 Jahren noch nicht vorgekommen.
- Generell ist das kein Problem, wenn die fachliche Kompetenz stimmt. Also wenn jemand für den Beruf qualifiziert ist und der ständige Kundenkontakt ihm Freude bereitet, dann ist das kein Problem.
- Ich würde allgemein niemand einstellen, egal ob psychisch krank oder gesund. Denn man muss Ahnung vom Geschäft haben und bis ich jemand eingelernt habe, vergeht zuviel Zeit.
- Auf dem Dach ist es, egal ob psychische oder körperliche Behinderung, unmöglich so jemanden einzustellen. Wenn die Person etwas neben sich steht, braucht man einen anderen, der auf ihn aufpasst.