„132 € sollen reichen!?“
Im Jahr 2008 brachten die beiden Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen und Christian
Fischer eine Sozialstudie heraus, bei welcher der Regelsatz mit dem ein Mensch im Monat leben kann 132,00 € beträgt. Maximal sollen demnach 278,00 € gerechtfertigt sein. Auf Grundlage dieses Papiers finden heute wieder Diskussionen um Kürzungen im Sozialwesen statt. Die amtierende Bundesregierung ist derzeit dabei einen Sparplan aufzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es im Bereich Soziales zu erneut negativ auswirkenden Änderungen sowie massiven finanziellen Belastungen kommt.
Um die Konzeption von Hartz IV zu verstehen, vermag ein Blick in die politische Entwicklung helfen. Dieses politische Produkt besteht, wie der Name schon sagt, aus vier Gesetzen. Diese dienten zur Umstrukturierung des Arbeits- und Sozialwesens in Deutschland. Verantwortlich für diesen Schritt war die rot-grüne Koalition im Deutschen Bundestag, während der Regierungszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder (1998-2005). Die SPD und die Grünen setzten Ende Februar 2002 die Hartz-Kommission ein. Das Mitglied des Vorstands im VW Konzern, Dr. Peter Hartz, wurde Vorsitzender dieses 15 Personen umfassenden Gremiums. Es bestand aus Vertretern der Wirtschaft, des Handels und der Gewerkschaften sowie der öffentlichen Hand (Bürgermeister).
Sie verfolgten das gemeinsame Ziel, moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt einzuführen. Hartz I trat 2003 in Kraft und beinhaltete eine Stärkung der Zeitarbeitsunternehmen. Diese bekamen beispielsweise das Recht zugesprochen, Arbeitnehmer für bestimmte Tätigkeiten einzustellen und nach Beendigung zu kündigen. Eine spätere Wiedereinstellung des selben Arbeitnehmers unter erleichterten Bedingungen, wurde ermöglicht. Zudem entstanden die ersten vom Arbeitsamt eingerichteten „Personal-Service-Agenturen“. Es waren Dienststellen, welche ausschließlich an der Vermittlung von Arbeitslosen an Zeitarbeitsunternehmen arbeiteten. Zeitgleich wurde der Bildungsgutschein eingeführt, mit dem die Arbeitsvermittler Weiterbildungen von Arbeitssuchenden fördern können. Der Arbeitssuchende hat jedoch keinen Anspruch auf diese Leistung, da sie im Ermessen des Vermittlers liegt. Dieser wird nur gewährt, wenn die feste Absicht besteht einen Beruf mit akutem Personalmangel zu erlernen. Parallel zu Hartz I wurde Hartz II beschlossen. Dabei wurde die ICH-AG eingeführt. Sie sollte Arbeitslosen den Weg in die Selbstständigkeit erleichtern. Hierzu wurde ein „Katalog“ mit Fördermitteln (z.B. günstige Kredite) und diversen finanziellen Zuschüssen (z.B. Beihilfen zur Sozialversicherung) erarbeitet. Die Auflagen zum Erhalt der Fördermittel zur ICH-AG sind im Jahr 2006 strenger geworden. Allerdings gibt es seit Juni 2008 für Existenzgründer die Möglichkeit, einen sogenannten Mikrokredit (unter 25.000,00 €) zu erhalten. Dieser wird von der europäischen Union in Zusammenarbeit mit den Mikrofinanzinstituten (MFI) vergeben. Dadurch wird auf unkompliziertem Weg benachteiligten Personen die Selbstständigkeit ermöglicht. Geschäftsplan und Lebenslauf genügt. Auf die sonst übliche Prüfung der Bonität wird bei Antragstellung verzichtet, somit löst dieses Konzept die ICH-AG ab.
Hartz II schaffte auch die neuen Grundlagen für geringfügige und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, umgangssprachlich Minijobs sowie Midijobs genannt. Bei den Midijobs liegt die Bezahlung im Übergangsbereich zwischen Minijobs einer regulären Teilzeit- oder Vollzeitstelle.
Ein weiterer Teil von Hartz II befasst sich mit der Etablierung der Jobcenter als weiteres Instrument zur Vermittlung von Arbeitssuchenden, deren Träger die Sozialhilfeträger und Arbeitsagenturen (früher Arbeitsämter) sind. Die Jobcenter stellen persönliche Betreuer für ALG II (Arbeitslosengeld II-bezieher), mit dem Ziel, diese möglichst schnell wieder auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln und einzugliedern. Als erster Arbeitsmarkt wird derjenige definiert, auf dem Arbeitsverhältnisse ohne staatliche Zuschüsse oder finanzielle Eingliederungshilfen zustande kommen.
Die Regelungen für Hartz III wurden Anfang Januar 2004 umgesetzt. Schwerpunkt hierbei ist die Umbenennung der „BUNDESANSTALT FÜR ARBEIT“ in „BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT“. Das Hauptziel dieser Umstrukturierung war es, die Effektivität zu erhöhen und aus einer Behörde ein Dienstleistungsunternehmen zu machen. Alle behördentypischen Begriffe sollten auf den neuen Formularen entfallen. Aus den Antragsstellern wurden Kunden.
Zudem wurde die Verwaltung gestrafft. Sie unterliegt seitdem einem Erfolgsschema.
Abschließend wurde am 01. Januar 2005 der letzte Teil, Hartz IV, beschlossen. Es ersetzt die frühere Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe durch das Arbeitslosengeld ALG II, als Existenzsicherung. Irreführend daran ist, dass sie nicht allein früheren Sozialhilfeempfängern dient, die zuvor Arbeitslosengeld I erhalten haben, sondern auch Arbeitenden und Arbeitssuchenden als Ergänzung gewährt wird, die ihr Existenzminimum nicht durch andere Einnahmen erreichen.
Hartz IV führt insbesondere in Fällen von Personen, die zuvor Arbeitslosenhilfe bezogen haben, zu erheblichen finanziellen Einschnitten. Durch die im Ergebnis leicht angehobene Regelleistung profitieren zumindest frühere Sozialhilfeempfänger von der Neuregelung, obgleich die gezahlten Leistungen pauschalisiert wurden und somit keine Sonderzahlungen nach Bedarf mehr erteilt werden. Der kritische Aspekt dieser Gesetzgebung liegt darin, dass dieser Regelsatz zur Existenzsicherung bei vielen Menschen nicht ausreicht, um die Grundbedürfnisse erfüllen zu können (siehe Auflistung zur finanziellen Situation).
Ab dem 01. Januar 2011 erhöht sich der Regelsatz um 5,00 €. Ein volljähriger alleinstehender Hartz IV-Bezieher erhält demnach 364,00€ statt bisher 359,00€. Bedarfsgemeinschaften 328,00€ statt bisher 323,00€ und so weiter. An den Beträgen für Kinder sind keine Veränderungen vorgesehen. Während ein Personenkreis die Meinung vertritt, dass bei weiteren Kürzungen im Sozialbereich, gerade bei den Hartz IV-Sätzen, die Menschen sich schneller wieder um einen Arbeitsplatz bemühen und die Einschnitte noch nicht weit genug gehen, sind andere, besonders von Hartz IV betroffene Personen, aber auch Sozialpolitiker, der Auffassung, dass die finanziellen Mittel nicht zur Existenzsicherung ausreichen. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht Teile dieser Sozialgesetzgebung als verbesserungswürdig empfunden und ein entsprechendes Urteil gefällt. Allerdings hat die Bundesregierung bis Oktober 2010 Zeit dafür. Zunächst sollen die Zuverdienstgrenzen erhöht werden, um Anreize zum Arbeiten zu schaffen. Bisher sind aktuell 120,00€ eines Zuverdienstgehalts von Abzügen befreit. Für darüber hinausgehende Beträge werden bis zu 80% vom Arbeitslosengeld abgezogen. Ein Zuverdienst von 400,00€ erhöht nach bisheriger Rechnung das „Einkommen“ also nur um 160,00€. Die 350 Jobcenter sind ebenfalls von der Neuregelung betroffen, da die Zusammenarbeit zwischen den Städten und Gemeinden sowie den Arbeitsagenturen umorganisiert wird. Innerhalb der Diskussion über Hartz IV werden oft Fälle zitiert, bei denen der Leistungsempfänger im Ausland wohnt und von Deutschland soziale Leistungen bezieht. Diese Einzelfälle sind jedoch in keiner Weise die Regel. Die Anträge zu Hartz IV gibt es in den kommunalen Behörden oder den Dienstleistungszentren der Städte und Gemeinden. Sie sollten rechtzeitig gestellt werden, da die Bearbeitungszeit sehr lang dauern kann.
AP