Hometreatment
Rainer Schaff hat uns am 13. und 14.06. bei der Fachtagung BAG GPV (Bundesarbeitsgemeinschaft Gemeinde Psychiatrie Verbund) in Stuttgart vertreten. Dort hat er den Workshop von Fr. Dr. Barbara Bornheimer Vitos Klinik Bamberger Hof APAH Ambulante Psychiatrische Akutbehandlung zu Hause besucht. Seht hier Auszüge aus der Power Point Präsentation von Fr. Dr. Bornheimer, die sie mir freundlichweise zur Verfügung stellte: Ende der 90er Jahre wurde die psychiatrische Versorgung in Frankfurt umstrukturiert. Durch die entstandenen Sektorkliniken war die psychiatrische Versorgung der Frankfurter Bürger gesichert. Der Bamberger Hof sollte geschlossen werden. Nicht nur die Mitarbeiter kämpften gegen die Schließung, es gab auch Proteste von Patienten, Angehörigen, Mitstreitern aus der komplementären Versorgung. Das besondere aber: die Mitarbeiter beschränkten sich nicht auf Proteste, sondern entwickelten eine Idee: Inspiriert durch ähnliche Modelle in der Frankfurter Partnerstadt Birmingham wurde ein Modellprojekt entwickelt, das zunächst noch wenige Betten, kombiniert mit ambulanten und teilstationären Angeboten vorsah. Daraus entwickelte sich dann die Idee eines Hometreatments, also einer aufsuchenden Behandlung zu Hause. Das Modellprojekt APAH wurde zum 1.3.2000 eingeführt.
Aus der Sicht von Betroffenen sind die nachfolgenden Behandler-Skills die wichtigsten. Einladen, anbieten, verlocken, Veränderungspotentiale herauslocken und die eigene Rolle, das eigene Verhalten reflektieren.
Vorherrschend ist die Begegnung mit den Patienten auf Augenhöhe, um Ressourcen zu fördern, Ablehnung (z.B. von Medikamenten) akzeptieren. Das persönliche Netzwerk wird einbezogen, um zu stärken, zu unterstützen und Konflikte und Krisen (Suizidalität) auszuhalten. Die Grundhaltung im Team basiert auf sozialpsychiatrischem Selbstverständnis. In aktueller Terminologie bedeutet dies, man arbeitet Recovery-orientiert: Zwang vermeiden – Verantwortung übernehmen – Hilfen vernetzen. Die Klinik Bamberger Hof ist mit allen komplementären Anbietern, aber auch mit den Kliniken, sozialpsychiatrischen Diensten, Pflegediensten, Sozialrathäusern und gesetzlichen Betreuern gut vernetzt.
Es ist unser Ziel, über genug durch nieder schwellige und aufsuchende Angebote, auch in der Psychiatrischen Instituts-Ambulan (PIA) psychiatrische Unterstützung anzubieten.
Zwang ist im ambulanten Setting nicht möglich! Wenn eine Behandlung nötig erscheint aber abgelehnt wird, bleiben wir trotzdem im Gespräch mit den Patienten, versuchen eine Beziehung aufzubauen und zu begleiten.
Interview Dr. Urban Hansen – Integrierte Versorgung Krisenteam ZfP Weissenau
Am 14.06. besuchte mich Dr. Hansen im ZD 12 Digital Service GpZ Ãberlingen, Industriegebiet Nord: Er war vor allem davon begeistert, wie wir in den Räumen aller Abteilungen, die positive Energie dieses Industriegebietes zu unserem Vorteil nutzen: Bislang wird Hometreatment lediglich für Mitglieder der DAK und Barmer angeboten. Dr. Grupp, Geschätsführer des ZfP Weissenau fordert PEPP Plus: erweiterte stationsersetzende ambulante Leistungen, wie Halbtagsklinik und Hometreatment.
Das Krisenteam der Weissenau hat im Hometreatment sehr viele Vorteile entdeckt: Durch Hausbesuche gewinnen wir einen besseren Eindruck vom Patienten. Bezugspersonen können direkt mit einbezogen werden. Wir können vor Ort Gespräche führen. Diese Ressourcen stehen der klassischen Psychiatrischen-Instituts-Ambulanz (PIA) nicht zur Verfügung. Dies ist somit ein weiterer großer Vorteil. Wir können den Patienten direkt und kurzfristig aufsuchen, früher einschreiten, nicht warten bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Eine große Chance, rechtzeitig zu behandeln.
Wir können Patienten ambulant behandeln, so dass sie gar nicht in die Klinik müssen oder dort einen verkürzten Aufenthalt genießen dürfen. Dies ist die freie Entscheidung des Patienten und schafft so mehr Möglichkeiten der Behandlung. Wichtig ist auch, dass die bestehenden Behandlungsmöglichkeiten wie z.B. Ergotherapie, Hausarzt (Internist) etc. parallel fortgeführt werden.
Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg e.V. (LVPEBW) setzt sich intensiv für die Realisierung von Hometreatment ein. Lest hierzu Auszüge aus dem ProHometreatment-Papier:
Hometreatment ist gedacht für alle Psychiatrie-Erfahrenen, unabhängig von der Diagnose.
Warum Hometreatment?Hometreatment bringt häufig eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität für den Psychiatrie-Erfahrenen während der Behandlung. Hometreatment ist nicht für alle Patienten geeignet. In bestimmten Fällen kann es durchaus angebracht sein, den Psychiatrie-Erfahrenen aus einem krankmachenden Umfeld herauszunehmen, um in einem mehr oder weniger isolierten Umfeld für eine Beruhigung der Person und der Situation zu sorgen.
Da der Psychiatrie-Erfahrene sein gewohntes Umfeld nicht verlassen muss, kann er seine sozialen Beziehungen weiter führen, so dass Beziehungsabbrüchen vorgebeugt ist. Vor allem Beziehungen, die nicht eng geführt werden, sind besonders gefährdet, aufgrund von Stigmatisierungen und Vorurteilen.
Ebenso positiv empfunden wird die Tatsache, dass ambulant mit niedrigeren Medikamentendosierungen gearbeitet wird. Es sind Einnahmeverweigerung und Nebenwirkungen der Medikamente, die sich sehr negativ auf die Lebensqualität der Psychiatrie-Erfahrenen auswirken können. Bei niedriger Dosis ist es wahrscheinlich, dass der Patient einer angemessenen, medikamentösen Behandlung gegenüber aufgeschlossen ist und die gesundheitliche Schädigung durch die Medikamente geringer ist.
Weiter ist ein großer Vorteil von Hometreatment, dass bestehende, ambulante Angebote in die Behandlung mit einbezogen werden können, wenn diese im Vorfeld installiert wurden. Dem Psychiatrie-Erfahrenen bleibt sein soziales Hilfenetzwerk erhalten und kann fördernd und stabilisierend wirken. Hier kann der gesamte Sozialraum des Psychiatrie-Erfahrenen für ihn hilfreich genutzt werden. Seien es die Freunde und Bekannte, Kirchengemeinde, Vereine, Nachbarn oder das Gespräch beim Bäcker alles Quellen möglicher Unterstützung.
In den meisten Fällen wird es von Psychiatrie-Erfahrener-Seite und Angehörigen-Seite als positiv erlebt, dass die engsten Angehörigen involviert bleiben und so unterstützend wirken können. Bei professioneller Intervention gelingt es in den meisten Fällen, die Familie mit ihrem Engagement und ihre Helferkompetenz förderlich mit einzubeziehen.
Es sind diese genannten Vorteile, die Hometreatment für Psychiatrie-Erfahrene und deren Angehörige so interessant machen und zu einem starken Bemühen für dessen großflächige Implementation führen.
Vorteile für die Träger:
Besonders zu betonen ist es, dass ein Vorteil von fachlicher und ethischer Art besteht, das heißt, es wird eine Behandlung angeboten, die fachlich und menschlich den Bedürfnissen der Psychiatrie-Erfahrenen entgegen kommt. Und da der Patient im Mittelpunkt steht, wie es gegebenenfalls in fast allen Leitbildern von psychiatrischen Hilfsanbietern heißt, sollte dies auch das wichtigste Argument für die Einführung von Hometreatment sein. Aber auch im Sinne der Leitlinie ambulant vor stationären befindet sich Hometreatment im Trend der Zeit. Falls eine Klinik Träger von Hometreatment ist, eröffnet sich ihr die Möglichkeit, sich ambulant zu engagieren und Synergieeffekte mit bereits bestehenden ambulanten Angeboten zu nutzen.
25 Jahre Pauline 13 e.V.
Am 28. Juni fand im Graf Zeppelin Haus in Friedrichshafen die 25 Jahre Feier der Pauline 13 statt. Ich will vorab nur die Reden der Sozialdezernenten des LRA skizzieren, da noch eine schöne Festschrift zum gesamten Akt gedruckt werden wird:
Durchs Programm führte Dr. Michael Konrad, Vorstand der Pauline. Der Urknall zur Gründung des Vereines kam wohl aus Richtung Westen. Karlheinz Dost, Ingenieur bei Dornier machte sich Sorgen um Mitarbeiter und Kollegen als Geheimnisträger unter schwierigsten Umständen. Er kontaktierte Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie DGSP und traf so auf Stefan Oberle, Vorstand der Pauline, der damals noch Leiter der Werkstatt in der Weissenau war. Weitere wichtige Menschen auf der Psychiatrie Bühne waren, Heinz Sieferts, Schirmherr des Psychosozialen Ausschusses Bodenseekreis, Egon Stoll Sozialdezernent im Landkreis und Prof. Dr. Schmidt-Michel, damals im Langzeitbereich der Weissenau und Vorsitzender der Arkade.
1. Redner war Egon Stoll, Sozialdezernent Bodenseekreis a.D. Er hob die Erfolgsgeschichte besonderer Art hervor. Aus Paulinchen wurde Paula. Der Verein war der Impulsgeber für die gesamte Sozialpsychiatrie insgesamt. Die Situation war düster im Landkreis, wir wussten, wir dürfen keine Randgruppen akzeptieren in unserer Gesellschaft. Dann kamen die 3 Eisheiligen aus dem Schussental (auf einem Bild erkannte man u.a. MdL Manfred Lucha mit VoKuHiLa), die ihm sehr vertrauenswürdig schienen. Er fand Gehör beim damaligen Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen Dr. Wiedmann, wesentliche Impulse gaben die Fachleute, so dass im Programm von 1992 alle Wünsche erfüllt wurden. Er schlug dem Landrat vor, die Stelle eines Sozialplaners zu besetzen, um Ressourcen besser zu ordnen, der Glücksfall war und bleibt Rainer Barth. Er macht seine Arbeit immer noch mit Herzblut und Begeisterung. Die Überlegung war, wie man das Modell der gemeindenahen Psychiatrie der Tagesstätte retten könnte und so entstand (so der Wortlaut Egon Stoll) die etwas größenwahnsinnige Idee mit dem Landkreis die GpZ´s zu gründen, vorab das GpZ Überlingen, Friedrichshafen folgte.
Nun stellte Michael Konrad Herrn Andreas Köster, dem aktuellen Sozialdezernenten im Landkreis die Frage: Lohnt es sich für den Landkreis mit dem Verein zu arbeiten?
Herr Köster wies Dr. Konrad darauf hin, dass er die Antwort zwischen den Zeilen hören dürfe: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit und er solle die Menschen mögen als Leitmotiv letztendlich Wir kümmern uns und müssen uns fragen wofür tue ich etwas? Was ist mein Motor? Warum? Wenn man bei 5 Anläufen gegen Wände renne, so müsse man es ein 6. Mal probieren. Wir brauchen Pioniere, das sind Menschen, die verrückt sind.
Daniela Schmid – Werkstatträtin