Werkstattrat – EXIN – Recovery


„Recovery stellt sich nicht in erster Linie dann ein, wenn die psychiatrische Behandlung ein Symptom zum Verschwinden bringt, das gelingt in vielen Fällen auch gar nicht. Recovery wird vielmehr möglich, wenn der Betroffene eine andere Haltung zu seinen Gefühlen und Gedanken findet, den Kampf gegen die Erkrankung beendet und sich aussöhnt.“
Andreas Knuf in Kerbe 4/2011

Rainer Schaff berichtet von seiner EXIN-Ausbildung und wir veröffentlichten hier seine Mitschrift zum Thema Recovery:
Der Begriff „Recovery“ kommt von als unheilbar krank gehaltenen Psychiatrieerfahrenen und kann mit „Wiedergesundung“ übersetzt werden! Er kann verstanden werden als: Rückkehr zum Normalzustand, Integration einer (traumatischen) Erfahrung, Verstehen von Leid und Symptomen und ein veränderter Umgang damit
Grundannahmen von Recovery:
– Jeder Mensch trägt Genesungspotential in sich – Jede Person kann Verantwortung übernehmen und an allen Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt sein – Genesung ist eine individuelle Reise und ein Prozess.
Was psychiatrieerfahrene Menschen auszeichnet, ist ihre bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben.
Recovery ist mehr als die Bewältigung von Symptomen, bedeutet nicht unbedingt die vollständige Heilung, kann Veränderung eines Menschen durch die Krankheit bedeuten, kann sich mit/ ohne/trotz Psychiatrie entwickeln, bezieht das Umfeld mit ein. Genesung von schwerwiegenden Erschütterungen ist möglich. Jeder Mensch trägt das Potential zur Genesung in sich.
Genesung ist ein Prozess von persönlichem Wachstum und Reifung. Ein Emanzipationsprozess. Ein sozialer Prozess (das gesamte soziale Umfeld muss mitgenesen. Betroffene und Bezugspersonen bilden eine Genesungseinheit). Entmündigung ist dabei das Haupthemmnis für den Recovery-Prozess. Zu hoffen ist, dass die Psychiatrie sich weiter im Recovery-Sinne wandelt und von der Idee der Beteiligung und Selbstbestimmung ihrer Patienten durchdrungen wird.

Mitschrift Rainer Schaff

Mein Hinweis hierzu: Zuallererst müssen Bezugspersonen bereit sein, die Krankheit zu akzeptieren, den geliebten Menschen auch in seiner Krankheitsphase noch bzw. vor allem dann zu respektieren und aktiv am Genesungsprozeß durch Einbezug des/der Betroffenen sich zu beteiligen und nicht über dessen/deren Kopf hinweg zu entscheiden. Und vor allem nicht immer und ewig die ganze Last auf die Psychiatrie abzuwälzen. Wir haben hier im Bodenseekreis in Friedrichshafen und Überlingen Angehörigen-Gruppen, die den Bezugspersonen helfen können, einen offeneren Umgang mit der Situation zu finden.

Der Begriff Recovery geht auch einher mit „Empowerment“. Nach Andreas Knuf bedeutet Empowerment Selbstbefähigung oder Selbstbemächtigung: Wie kann es psychiatrieerfahrenen Menschen gelingen, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, auf möglichst wenig Unterstützung von außen angewiesen zu sein, ihre Selbsthilfemöglichkeiten zu nutzen und ihr Leben und die Behandlung (!) selbstbestimmt nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Andreas Knuf ist Dipl. Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut mit eigener Praxis in Konstanz. „Ich arbeite mit Menschen in und nach psychischen Krisen, sowie mit Menschen, die Psychotherapie als einen persönlichen Wachstums- und Entwicklungsprozess nutzen möchten. Wir alle haben ein sehr großes Potential zur Selbstheilung in uns. Ziel meiner Arbeit ist es, einen hilfreichen Raum zu schaffen, damit sich diese Fähigkeiten entfalten können.“

Aktuelle Veröffentlichungen:
“Achtsamkeit als Haltung und Methode in der sozialpsychiatrischen Arbeit”
KERBE, November 2011
“Was ist Selbstverantwortung und wie läßt sie sich fördern?”
KERBE, August 2011

2010 ist sein neues Buch “Ruhe da oben!“ – Der Weg zu einem gelassenen Geist – im Arbor-Verlag erschienen. „Ruhe da oben!“ beschreibt unseren lärmenden Verstand, der ständig aktiv ist und sich oft nicht einmal eine Pinkelpause gönnt. Unser ruheloser Geist kann nicht in der Gegenwart sein, er ist entweder mit der Vergangenheit beschäftigt (Heimatfilme) oder mit der Zukunft (Science-Fiction). Deshalb entgeht uns oft unser wirkliches Leben, wenn es in unserem Kopf nicht endlich ruhiger wird.

Auch viele psychische Erkrankungen wie Schlafstörungen, Depressionen, Angststörungen und Psychosen gehen mit einem zu aktiven Geist einher. Wie wir mehr „Ruhe da oben!“ finden können und dadurch ein freudvolleres Leben führen, das erfahren Sie in diesem Buch. „Ruhe da oben!“ ist auch ein Einsteigerbuch in die Achtsamkeitspraxis.“
„Dies ist mein erstes Nicht-Nur-Psychiatrie-Buch. Es wendet sich an jede Frau und jeden Mann, denn den Lärm im Kopf kennen wir alle.“

Literatur-Hinweise:
http://ruhe-da-oben.jimdo.com/
http://www.gesundungswege.de/


Daniela Schmid

Praktikumsbericht – EXIN
Für das EXIN benötigt man 80 Stunden Praktikum. Meines machte ich im Wohnheim Bermatingen, ich war mit Arbeiten beschäftigt, die täglich anfielen wie Fahrdienste, den Mitbewohnern helfen beim Zimmer aufräumen, Wäsche waschen usw.
Unter anderem war ich jeweils einen Tag mit dem Pflegedienst – Betreutes Wohnen unterwegs.
Durch dieses Praktikum werde ich ab Juni einen Außenarbeitsplatz mit voraussichtlich 2 Tagen pro Woche im Wohnheim Bermatingen beginnen.

Thomas Schmid

Regio 2013
Rainer Schaff und Thomas Schmid haben uns beim Regiotreff 2013 der Werkstatträte Bodensee-Oberschwaben am 16. April 2013 in der Weissenau vertreten. Thema war: Vorstellung der Landes Arbeitsgemeinschaft Werkstatträte (LAG). Auf der Gründungsversammlung in Bad Boll wurde 2003 mit überwältigender Mehrheit beschlossen eine LAG WR zu gründen. In der Bundes Vereinigung Werkstatt Räte (BVWR) besprechen alle Landesarbeitsgemeinschaften aktuelle Themen und Probleme. Ziel und Aufgabe der BVWR ist es, die Interessen der Beschäftigten in den Werkstätten für behinderteMenschen (WfbM) auf Bundesebene zu vertreten. Es wurden auch Regionale Arbeitsgemeinschaften formiert. In jeder Region finden zwei mal im Jahr Sitzungen statt. Jede Mitgliedswerkstatt sendet VertreterInnen in die Sitzungen. Die Sitzungen finden abwechselnd in den Mitgliedswerkstätten der jeweiligen Region statt.

Pari-News
23. April 2013 Inklusives Gemeinwesen – Chancen und Herausforderungen – veranstaltet vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Ba-Wü, Kreisverband Bodenseekreis, moderiert von Sebastion Paulsen, Paritätischer und Jugendhilfe Überlingen.
Referenten: Rainer Barth, Sozialplaner Landratsamt Bodenseekreis und Gerd Weimer, Landesbehinderten Beauftragter BaWü: „In den Herzen ist das Thema Inklusion noch nicht angekommen!“ Gerd Weimer
Das war so mit der stärkste Satz von unserem Landesbehindertenbeauftragten an diesem Nachmittag im Benvenut- Stengele-Haus altin Frickingen. Hierauf konterte jedoch Rainer Barth (s. Bild) sofort, dass er ausschließlich von positiven Erlebnissen berichten könne im Bodenseekreis. Die Etablierung des Ehrenamtes in bürgerlichen Strukturen bringe sehr viele Positivkräfte.
Gerd Weimer hob den Bodenseekreis in puncto Inklusion hervor. Er lobte vor allem die Leistung von Rainer Barth und dessen kreativem, tatkräftigen Team im Landratsamt. Auf der Suche nach guten Teilhabe- und Hilfeplänen kommt der Bodenseekreis auf den 1. Platz. Nach der Verwaltungsreform 2005 hat sich der Bodenseekreis entschieden, ohne Unterstützung des KVJS (Kommunalverband für Jugend und Soziales) zu arbeiten und die Entwicklung ist und bleibt positiv . Die Themen wurden richtig gewählt mit den Schwerpunkten Wohnen, Arbeit und Bildung. Er regt an bei nochmaliger Überarbeitung neue Handlungsfelder zu öffnen.
Die Teilhabeplanung der Städte und Landkreise ist sehr wichtig. Es gibt hier 3 Grund-Prinzipien, die zu beachten sind:
1. Es geht nichts über uns ohne uns!
2. Bitte bei Teilhabeplanungen nicht auf Sparkonzepte ausrichten
Es gibt Präsidien, da werden task forces gebildet zur Reduzierung der Eingliederungshilfe. (Anm.d.Red.: Allein dieser militärische Begriff läßt einen doch schaudern!)
3. Bei Teilhabeplänen braucht es konkrete Umsetzungspläne. Prozesse muss man organisieren wie einen Businessplan mit den Schwerpunkten: Konkrete Planung – Organisation – Zeitschiene – Evaluation – zur Verfügungstellung von Kosten.
Derzeit finden wir in BaWü 4 politsche Großbaustellen:
1. Landesbeihilfegesetz
Kreisbeihilfebeauftragte sollen unabhängig arbeiten nach dem Konnexitätsprinzip. Die Mittel sind im Haushalt dafür vorgesehen.
2. Novellierung der LandesBauOrdnung LBO § 39 Abs. 2 LBO
3. Das LandesPsychiatrieGesetz wurde eigenständig unter Einbezug der Psychiatrieerfahrenen erarbeitet und formuliert. Am Gesetzentwurf wird gearbeitet.
4. Wir brauchen einen Umsetzungsplan für die UN Karta in BaWü. Es gibt Aktionspläne, die nächsten Veranstaltungen finden in Mannheim u. Freiburg statt. Schaut einfach mal auf die Internet Seite des Sozialministerium BaWü. Der Aktionsplan ist evaluierbar, das sind nicht nur Sprechblasen. Eine Inklusive Gesellschaft schaffen wir so mittel– und langfristig. Es findet längst ein Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik statt.
Fakt ist: Andere Länder sind europaweit in Sachen Inklusion nur deshalb auf den vorderen Plätzen, weil sie in den vergangenen Jahren überhaupt nicht in exklusive Werkstätten und die stationäre Unterbringung und Sonderschulen investiert haben. Wir hingegen in Deutschland müssen umstrukturieren und umfinanzieren. Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif. Wir müssen bis 2030 53 Milliarden € investieren, um nur annähernd Barrierefreiheit herzustellen. Im Fiskalpakt aller Länder hat die Bundesregierung ein neues Gesetz versprochen, sich an der Finanzierung der Eingliederungshilfe zu beteiligen! Alle „Farben“ haben dem Fiskalpakt zugestimmt. „Lasst uns weiterhin optimistisch bleiben und erfolgsorientiert zusammenarbeiten. „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Daniela Schmid