Aby Warburg
Ein Leben zwischen Genie und Krankheit
“Amburghese di cuore, ebreo di sangue, d’anima Fiorentino”. (Hamburger im Herzen, Jude von Geburt, im Geiste Florentiner), so lautet der Lebensspruch, den er selbst formuliert. Am 13. Juni 1866 wird Aby Warburg in Hamburg geboren. Gleichwohl prägen bereits in frühen Kinder- und Jugendjahren schwierige Charakterzüge, labiles und sprunghaftes Temperament, Jähzorn sowie mangelnde seelische Stabilität sein Wesen. Er erkrankt bereits als 6-jähriger schwer an Typhus. 1886 studiert er gegen den Willen seiner Angehörigen Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft. Aufgrund seiner seelischen und körperlichen Labilität willigt die Familie ein. Während seines Studiums legt er den wissenschaftlichen Schwerpunkt auf die Beschäftigung mit dem Nachleben von der Antike bis zur Renaissance. Er unternimmt viele Reisen, 1888 bis 1889 nach Florenz, um die Quellen zu den Bildern „Die Geburt der Venus“ und „Frühling“ zu erforschen, über die er in Straßburg bei Hubert Janitschek dissertiert. Innerhalb seiner Doktorarbeit beschreibt Aby Warburg erstmals die Ikonolgie (Bildlehre) als eigenständigen Teil der Kunstwissenschaft. Neu ist auch, dass Aby Warburg darin Möglichkeiten der Anwendung von naturwissenschaftlichen Methoden im Bereich der Geisteswissenschaft auslotet und zur Ansprache bringt. Im Jahr 1892 reicht er seine Dissertation ein. Der Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler hält sich in den Jahren 1895 bis 1896 in den USA auf. Der Aufenthalt dort führt dazu, dass Aby Warburg an den religiösen Riten und Bräuchen des Stammes der Hopi-Indianer teilnimmt und diese beobachten darf. Dies sollte später zu einer biografischen Schlüsselerfahrung werden. 1897 heiratet Aby Warburg gegen den Willen seines Vaters die Malerin und Bildhauerin Mary Hertz, Tochter einer angesehenen Hamburger Familie. Mit ihr zieht er im Jahr 1898 nach Florenz. Obwohl Aby Warburg immer wieder an Depressionen leidet, führt das Paar ein gesellschaftliches Leben. Im Jahr 1902 kehrt Aby Warburg wieder nach Hamburg zurück. Er stellt die Forschungsergebnisse in Florenz in Form von zahlreichen Vorträgen vor. Ab dem Jahr 1908 beschäftigt er sich mit der Erforschung der astrologischen Bilderwelt. Hierbei kommen Aby Warburg seine Aufzeichnungen über die Rituale der Hopi-Indianer zu Gute, besonders über das Schlangenritual. Durch den Ausbruch einer Psychose im Jahr 1919 verliert Aby Warburg die Kontrolle über seine Familie und über sich selbst. Nachdem immer noch keine Besserung in Aussicht ist und er damit droht, sich und seine Familie auszulöschen, wird Aby Warburg am 16.April 1921 dem Psychiater Dr. Ludwig Binswanger, im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen, vorgestellt. Es folgt eine Einweisung in die Klinik. In den Krankenberichten ist von Wahnvorstellungen, Aggressivität gegen sich selbst und gegen das Personal, Phobien und zwanghafte Hygienerituale die Rede. Im Zuge der Behandlung kommt es zu ausgeglichenen Tagen, an denen es möglich ist, ihn zu besuchen. Er selbst bezeichnet sich unterdessen als „unheilbar schizoid“. Aus medizinischer Sicht heraus befindet sich der Patient jedoch auf dem Weg der Besserung. Erstes Anzeichen dafür ist sein Vortrag über das Schlangenritual der Hopi-Indianer, welchen er am 21.04.1923 vor Ärzten, Patienten sowie Pflegepersonal im Sanatorium hält. Gleichzeitig kommt es mit dem Philosophen Ernst Cassirer zu intensiven Gesprächen. Die Klinik von Ludwig Binswanger und deren freundschaftliches sowie vertrauensvolles Umfeld leisten somit einen wichtigen Beitrag, der zum Selbstheilungsprozess von Aby Warburg beiträgt. Sich bester Gesundheit erfreuend, wird er 1924 aus der medizinischen Obhut entlassen. Aby Warburg hingegen bezeichnet dies als „Beurlaubung zur Normalität“. Er kehrt von Kreuzlingen nach Hamburg zurück. Dort hält er Vorträge, verfasst viele Schriften und führt eine umfangreiche Bibliothek. Aby Warburg stirbt am 26. Oktober 1929 an einem Herzinfarkt. Das Buch Schlangenritual zählt heute zu den Standardwerken kulturwissenschaftlicher Schriften, seit 2007 gibt es eine Neubearbeitung. Das Buch „Ludwig Binswanger – Die unendliche Heilung“ herausgegeben 2007 im
diaphanes Verlag Berlin beinhaltet die vollständige Krankenakte sowie persönliche Aufzeichnungen und Briefe des bedeutenden Kunsthistorikers.
AP