Inspiration – was treibt das Theater an? – Die hohe Kunst, Wahrheiten anzusprechen.


Diese Frage in Bezug auf „Geheimes Wissen“ zu offenbaren und versteckte, geheimgehaltene Informationen zu erfahren, hat mich immer schon inspiriert und weiter zum Recherchieren angetrieben, oft wie eine innere Macht, die mir befiehlt, dran zu bleiben und die Dinge tun sich wundersam kund. Genau dieses Thema greift Regisseur Herbert Olschok im Theater Konstanz auf. Im Rahmen der Konzilfestspiele auf der Freilichtbühne inszenierte er in diesem Sommer vor dem Konstanzer Münster das Stück „Der Name der Rose“ von Umberto Eco. Ich war gespannt, wie der Regisseur das Thema des Buches umsetzen wird. Vor dem Konstanzer Münster werden die Zuschauer unter freiem Himmel wieder einmal ins Mittelalter zurückversetzt. Das total verarmte Volk, in Lumpen gekleidet, wird von Essensresten und Getreidebrei gespeist. Wehklagend singen und tanzen die Bettler über den Platz. Das Programmheft führt uns ein in die Geschichte des Stücks: „Verliebt in Aristoteles und die Philosophie, auf der Suche nach Lachen und Sehnsucht nach Wissen kommt ein Mönch nach dem anderen in einem abgelegenen Benediktinerkloster in

den italienischen Apenninen um Lebens. Der englische Franziskanermönch William von Baskerville mit seinem jungen Adlatus lüften das Geheimnis um die Bilbliothek des Ordens, die größte und bedeutendste der damaligen Zeit, ein Hort des gesamten Wissens des Abendlandes. William muss feststellen, dass jemand mit aller Macht versucht, Wissen zu verbergen. Regisseur Olschok zieht Parallelen zu heute: „Wissenschaft im Dienst der Verschleierung statt im Dienst der Erleuchtung. Das gefällt mir nicht.“ Er spricht im Interview mit dem SWR: „Das zentrale Problem dieser Geschichte ist, dass eine Bibliothek Wissen anreichert, um es zu verstecken. …, aber wenn man an das Zimmer TTIP in Brüssel denkt, wo man nicht rein darf, nur fünf Minuten, kein Handy mitnehmen, nichts zu schreiben mitnehmen… Und dass Wissen verbreiten, wenn ich das tue …, mich das Leben kosten kann.“ Olschok verweist auf die aktuelle Situation: „Wenn jemand dort Dinge entdeckt, die der Jetztzeit entsprechen, hat er Recht. Das Mittelalter ist eine Epoche, in der sich Europa gebildet hat. Das Konzept des modernen Staates, Demokratie, Bürgertum,

Ilja Mess Fotografie Theater Konstanz

Kapitalismus, Ökonomie und Bankwesen sowie revolutionäre Bewegungen – das ist alles im Mittelalter entstanden. Und die Probleme von damals sind auch die Probleme von heute.“ Also hat sich nichts geändert am Menschen? Der Kampf um das Wissen ein unnützer Kampf? Noch immer sterben Menschen, die die Wahrheit ans Licht bringen, werden mundtot gemacht. Die Inquisition im Schutze der päpstlichen Bogenschützen foltert die Ketzer und die

Hexe wird verbrannt, wie auch die Bibliothek am Ende den Flammen zum Opfer fällt. Dem vorbeugend, um wieder in die Realität zurück zu kehren, meldet der Vatikan, dass Papst Franziskus die Bibliothek des Vatikans digitalisieren lässt, auch wenn es 100 Jahre dauern kann und das Geld akquiriert werden muss, ein Schritt in Richtung Öffnung und längst fällige Transparenz  ist es allemal.

Inspiration, was treibt mich an? Die hohe Kunst der Sprache und des Schauspiels.

Doch nun zur Frage: was inspiriert mich am Theater? Mich fasziniert, wie mit scheinbar wenig Aufwand und geringen Mitteln es jede Inszenierung am Theater Konstanz schafft, die Zuschauer in ihren Bann zu ziehen. Der Artikel des Südkurier „Illusion muss knallhart geplant sein“ klärt darüber auf, unter welchen Auflagen und Prüfungen und mit welchem Kraftakt zum Beispiel die Freilichtbühne vor dem Münster aufgebaut wurde. Doch ein knallhartes Geschäft, das am Ende mit Leichtigkeit die Blicke der Menschen über die Bühne schweben lässt, dies ist Inspiration und Faszination für mich. Ein ganzes Ensemble unter einen Hut zu bekommen und derart großartige Leistungen zu vollbringen, das ist sicherlich Regisseur Johannes von Matuschkas Verdienst im zweiten Stück der Freilichtbühne Konzilfestspiele  „Konstanz am Meer – Ein Himmelstheater“ nach dem gleichnamigen Roman von Theresia Walser und Karl-Heinz Ott.

Der König, der Papst, die Königin, die Wirtin. „Einigkeit im Uneinssein, Harmonie der klugen Dissonanz“, so bezirzt König Sigismund den italienischen Papst, der aussieht wie Adriano Celentano, denke ich und Dinge sagt wie „Das Leben ist kein Pizzastück.“ Plötzlich hält er ein blaues Plastik Malergitter in der rechten Hand ans Ohr, sein Beichtstuhl à emporter. Wie praktisch… und in der linken Hand der Pizza-Ofenschieber symbolisiert den Bischofsstab. Typisch Italiener eben, ganz wertfrei bitte. Will doch König Sigismund zum Kaiser gewählt werden und den Papst auf seine Seite ziehen, den er geschickt umgarnt. Auch ihn um Geld bittet, das ihm seine reiche Frau Cilly gerade verwehrt. Mit den Worten: „Kein Geld im Sack, aber Kaiser am Arsch der Welt werden wollen“, hat sie sich vorerst aus dem Staub gemacht. „Die Schulden von heute sind die Gelder von morgen und die Väter vom Vermögen,“ predigt die scheinbar größenwahnsinnige Wirtin Martha Haefelin, die mit ihrer Flotte von 13 Schiffen die Weltmeere erobern will, denn sie glaubt daran, dass da hinter dem See noch mehr sein muss. Am Ende tanzen die Völker skelettös in der Nacht, nachdem Jan Hus von einer festähnlichen Prozession begleitet zum Scheiterhaufen geschleppt wird, mit den Schlachtrufen „Wir braten heute eine Gans“. „Ein Ungeheuer ist viel,“ sagt König Sigismund, „aber noch ungeheurer ist der Mensch.“ Im Theater werden für mich die hohe Kunst der Sprache, das Spiel mit Worten in wohl überlegten Handlungen lebendig. Die freche Art, Wahrheiten derb und zynisch auszusprechen oder politische Themen zu artikulieren, die man sonst nur unter vorgehaltener Hand sagen möchte, empfinde ich als wohltuenden Mut. Den Traum vom großen Geld und Glück nie aufgeben – die Illusionen im Theater können auch Inspirationen für meinen Alltag sein.

Daniela S.

Quellen:

http://www.swr.de/swr2/kultur-info/kultur-regional-buehne-der-name-der-rose-konstanz/-/id=9597116/did=17662910/nid=9597116/ou8nrb/index.html

http://www.zeit.de/2013/18/julian-assange-alexandre-lacroix

http://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/775604/vatikanbibliothek-wird-ins-internet-gestellt#gallery&0&0&775604