Heimkinder – Erfahrungsbericht über mich und meinen Sohn


Aus eigener Erfahrung weiß ich wie sich Heimkinder fühlen, da ich in einem Kinderheim aufgewachsen bin.

Darüber zu berichten und meine positiven als auch negativen Erlebnisse zu schildern ist mir ein Anliegen:

Im Alter von 7 Jahren bin ich in meiner Geburtsstadt Hamburg in ein Heim gekommen, weil meine Eltern mit der Erziehung von mir und meinen beiden Geschwistern eindeutig überfordert waren. Ich war immer diejenige, die von unseren Eltern missbraucht und geschlagen wurde. Meine Geschwister haben sie in Ruhe gelassen. Ich hatte immer Angst eine Anzeige bei der Polizei zu machen, bis unsere Nachbarn das mitbekommen hatten und zu meinem Glück das Jugendamt einschalteten. Ich kam in ein Kinderheim mit netten Erzieherinnen und Erziehern. Dort fühlte ich mich sehr geborgen und wurde gut umsorgt.
Zu meinem Elternhaus hatte ich zunächst eine 4-wöchige Kontaktsperre. Danach durfte ich meine Mutter und meinen Stiefvater wieder anrufen oder sie mich besuchen kommen. Vor diesen Begegnungen hatte ich immer noch Angst. Dies war aber unbegründet, da immer Mitarbeiter des Kinderheimes oder jemand vom Jugendamt bei diesen Treffen dabei war. Es waren viele Therapiegespräche notwendig, bis ich wieder langsam Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen konnte.
Auch wurde versucht, mich schulisch wieder auf die richtige Bahn zu bringen.
Nachdem ich 12 Jahre alt geworden war, habe ich leider einen falschen Weg eingeschlagen, weil ich auf Heim und Schule keine Lust mehr hatte. Ich bin vom Heim abgehauen, und das Schuleschwänzen häufte sich. Ich galt als schwer erziehbar und kam darauf in ein anderes Kinderheim. Dieses war in Flensburg. Dort lebte ich zurückgezogen. Von dem was die Erzieherinnen und Erzieher von mir wollten, machte ich gar nichts mehr. Auch habe ich die Schule weiterhin unregelmäßig besucht und sehr oft den Unterricht geschwänzt. Irgendwann gaben es die Heimmitarbeiter als auch die Lehrer es auf, mich erziehen zu wollen. Im Alter von 14 Jahren bin ich dann wieder von Flensburg nach Hamburg zu meinen Eltern gezogen. Es war ein komisches Gefühl, da ich immer noch sehr viel Angst vor meinem Stiefvater hatte, dass er mir wieder etwas antun könnte.

Mit 15 Jahren hatte ich dann meinen ersten Freund. Durch ihn bin ich wieder in eine Schieflage gekommen (Drogen). Er hat mir die ersten 2 Jahre die „heile Welt“ vorgespielt, bis ich von ihm schwanger wurde. Als ich durch Gewalt mein erstes Kind verlor, bin ich komplett in ein schwarzes Loch gefallen und ganz nach unten abgerutscht. Von meinem Freund habe ich mich getrennt und musste einen Drogenentzug machen. Das war gar nicht einfach, aber meine Mutter hat mir dabei sehr geholfen. Danach habe ich zwar keine Drogen mehr genommen, aber dennoch meinen Lebensstil nicht viel geändert und weiterhin so ohne Ziel in den Tag hineingelebt. Mir hat schließlich auch niemand gezeigt, wie der Mensch sein Leben richtig gestalten und die Zeit sinnvoll nutzen kann.
Durch meine Schwangerschaft im Jahr 2009 bekam mein Leben endlich eine neue Bedeutung und einen neuen Inhalt. 2010 ist mein süßer Sohn auf die Welt gekommen. Heute bin ich glücklich, alles soweit geschafft und überstanden zu haben. Ich musste früh lernen, mich alleine durchzukämpfen und das habe ich auch geschafft. Mein Sohn ist jetzt ein Jahr alt. Dank ihm bin ich auch verantwortungsbewusster geworden.

Ich habe ihn bis zum achten Monat bei mir gehabt. Derzeit lebt er bei einer Pflegefamilie. Diese Entscheidung habe ich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Jugendamtes gemeinsam beschlossen, auch weil ich mich körperlich derzeit nicht fit fühle, als alleinerziehende Mutter die volle Verantwortung für meinen Sohn zu tragen.

Vor dem Amtsgang braucht der Mensch keine Angst zu haben. Im Gegenteil, ich bin sehr dankbar, dass es Jugendämter gibt, die alleinerziehenden Müttern helfen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Ämtern lassen hilfesuchende Menschen nicht mit den Problemen und Schwierigkeiten allein. Sie versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, das Bestmögliche für die Hilfesuchenden zu erreichen.

Auch habe ich die Pflegefamilie vorher kennengelernt und mir das neue Zuhause meines Sohnes anschauen dürfen. Ich darf meinen Sohn einmal in der Woche besuchen und freue mich jedes Mal sehr darauf.

Anonym