Digital Kids – Social Home


Bildungsbegleitung in der Kommunikations- und Wissensgesellschaft

orange_punktDas Medien- und Informationszeitalter durchdringt immer mehr Lebensbereiche.
»Schnellere Kommunikation, Zeitersparnis« werden manche sagen. »Sucht, Abhängigkeit und eingeschränktes Sozialverhalten im realen Leben« werden kritische Stimmen einwerfen. Im richtigen Medienumgang in unserer Kommunikations- und Wissensgesellschaft sind herausfordernde Erziehungsaufgaben verborgen, die Eltern als Chance begreifen können. Vielleicht können sie mit einer offeneren Einstellung Medien gegenüber zu einem verantwortungsvollen Umgang beitragen, in dem Kinder nicht Opfer, sondern Gewinner sein werden. Ein kleiner Einblick in die erzieherische Bildungsbegleitung vor dem Hintergrund einer digitalisierten Wissensgesellschaft kann Ihnen eine neue Sichtweise eröffnen mit kleinen Tipps. Sind sie offen dafür? Toll! Dann begleiten Sie mich doch dabei.
Ungeahnte Möglichkeiten, neue Horizonte, jeden Tag. Vernetzung, Erreichbarkeit überall, fast in jeder Lebenssituation. Der Plausch zwischen Eltern und Kindern, das gesellige Beisammensein, Klassenzimmer mit Kreidetafel – Ist das eine Rückblende in ein vergangenes Zeitalter? Erneuerndes Wissen ist jederzeit an jedem Ort in scheinbar unbegrenzter Vielfalt verfügbar. Das Begreifen, die Erkenntnis über Zusammenhänge und die Fähigkeit, sie auch umzusetzen, macht die wirtschaftliche Nutzbarkeit aus. Das Denken vernetzt und verbreitet sich und neue Anwendungsmöglichkeiten entstehen. Ökologisch unbedenklich kann sich diese Ressource in beliebiger Menge generieren und unsere Gesellschaft durch neue Einsichten wachsen lassen. Jeder kann sich durch die individuelle Gestaltung dieses Prozesses Lebensräume erschließen. Die eigene Mündigkeit wird zur persönlichen Freiheit. Lebensperspektiven und Chancen sind abhängig vom Wissenstransfer des einzelnen in der Gesellschaft. Notwendiger schneller Zugang zum Wissen wird im Internetkonsum auch zur Gefahr. Regiert hier eine Maschine uns und unsere Kinder oder ist sie einfach Hilfsmittel, die Entwicklung (inter)aktiver Persönlichkeiten zu strukturieren? Wie können Eltern dem intellektuell »herausfordernden« Kind den nötigen Rückhalt vermitteln, um seine Fähigkeiten zu entwickeln, ihm eine »Heimat« in unserer pluralistischen Gesellschaft zu geben?

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Die Entwicklung eines Kindes wird durch reale und mediale Erfahrungen bestimmt, eine Wechselbeziehung aus sozialer Interaktion und dem Gebrauch unterschiedlichster Medien. Es wird deutlich, dass die Herausbildung eines Selbst-Bewusstseins, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten wichtig ist. Die Bildung einer eigenen Meinung und die Einordnung von Informationen in zwischenmenschlichen Verbindungen zur Trennung relevanter von irrelevanten Inhalten im Sozialisierungsprozess sind wichtig zur Entwicklung einer »Mündigkeit«. Das Kind kann über den Dingen stehen, wenn es erkennt, dass die »Überflutung« mit Bildern multimedialer Inhalte oft gar nicht notwendig ist und eigene Ideen wertvoll sind. Ein Gespräch, eine Diskussion, der persönliche Umgang kann eigene Qualitäten für das Kind erfahrbar machen. Starke Eltern können durch regelmäßige Rückmeldungen über das Verhalten, das in verschiedensten Medien suggerierte Idealbild des perfekten Menschen abschwächen und die Entwicklung der eigenen Kreativität fördern.
Das Leben im Hier und Jetzt birgt außerdem die Gefahr, den Umgang mit frustrierenden Situationen nicht zu trainieren. Der Fluchtweg in den Medienkonsum lenkt die Aufmerksamkeit kurzzeitig ab. Eine Reizüberflutung kann die Konzentrationsfähigkeit auf die eigentlichen Ziele beeinträchtigen. Wenn die Informationen nicht mehr optimal verwertet werden können, entsteht »Aufschieberitis« und Stress. Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADHS) und Aggressionen sind mögliche Folgen. Durch das Training von Sozialkompetenzen kann das Selbstwertgefühls gesteigert und die Situation bewältigt anstatt verschoben werden. Konkret können die Eltern das Kind animieren, Gefühle auszudrücken, die Meinung offen zu äußern. Die Suche nach der Bedeutung, dem Hintergrund von Argumenten und Informationen muss trainiert werden. Die Offenheit gegenüber anderen Standpunkten unterstützt die Verständigung auf einer gemeinsamen Grundlage. Das Medium soll Mittel zum Zweck und nicht digitale Fluchtwelt sein. Der Zugriff auf Medien sollte in konkreter Intention erfolgen und nicht innere Konflikte »betäuben«. Die Systematisierung und Ergänzung zufällig erworbenen Wissens im Alltag kann Zusammenhänge herstellen. Vernetztes Wissen ist einfacher reproduzierbar. Erfahrbar wird es dann im zwischenmenschlichen Umgang bzw. der Anwendung. Die soziale Interaktion wird durch die Mediennutzung über weite Distanzen vereinfacht, nicht ersetzt.
Die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens verändern sich durch die digitale Vernetzung rasant und der Innovationsdruck wächst durch neu erschlossenes Wissen stetig. Weil das Lernen im Leben dabei existenziell ist, sollten wir uns dieses Thema genauer ansehen.
Die Schaffung von »Lernwelten«, bei der Fähigkeiten auch außerhalb von Bildungseinrichtungen erworben werden, trainiert die eigene Kompetenz der Selbstdisziplin und lebenslangen Lernfähigkeit frühzeitig. Die Begleitung positiver wie negativer Erfahrungen im sozialen, familiären, kommunikativen Zusammenhang oder in einer bestimmten Arbeitsumgebung prägt die Persönlichkeit früh. Wichtig dabei ist, das Bewusstsein zu vermitteln, dass Lösungsmöglichkeiten sich nicht auf bestimmte »Inhalte« begrenzen, sondern sich im Handeln und Experimentieren verbergen können. Eine begleitende, begrenzende Hand bei der Einführung in den Mediengebrauch kann daher hilfreich sein, um eine verzerrte Wahrnehmung durch Selbstunter- bzw. überschätzung in einer virtuellen Welt zu vermeiden. Das Kind sollte nicht einfach nur ziellos im Reich der unbegrenzten Informationsflut »umhertreiben«, weil die Eltern sich scheinbar hilflos und ängstlich zurückziehen. Eine solche Angst und Distanz muss nicht sein. Lernen mit- und voneinander statt einen Orientierungs- und Informationsvorsprung wahren zu müssen, erleichtert die Eltern-Kind-Beziehung. Erfolgsrezepte werden im Pluralismus seltener. Strukturierung, die richtige Dosierung, der Einsatz geeigneter Medien und das Setzen von Prioritäten können die Reizüberflutung im Umgang mit dem »Wissensfundus« Internet eindämmen. Das Lösen schwieriger Probleme kann durch den Austausch von Lernenden in virtuellen Lernräumen vereinfacht werden. Wissen ist persönliches Kapital, das die Eintrittskarte in neue Lebensbereiche sein kann.

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Die Aneignung von Wissen kann im informellen oder didaktischen Lernen erfolgen.
Informelles Lernen ist das eher unbewusste, selbstbestimmte Lernen im Arbeits- und Lebenszusammenhang. Es ist nicht an einen bestimmten »Lernrahmen«, fixe Zeiten, Ziele und Institutionen (z. B. Schulen) gebunden, also unstrukturiert und eher ganzheitlich praxisbezogen. Lernorte sind nicht fix, sondern können in Freizeitaktivitäten, am Arbeitsplatz, in der Familie, unter Freunden sein. Eine konkrete Problemlösung bildet dabei Erfahrungswissen heran. Die Grenzen zwischen Bildung, Arbeit und Freizeit sind fließend. Hier sind Selbstorganisation und Selbstdisziplin gefragt. Offenheit und Angstfreiheit im »spielerischen« Umgang mit Aufgaben sind extrem wichtig. Vielfältige Eindrücke entwickeln im Kind ein Gefühl für Wertvorstellungen und Normen. Durch gezielte Förderung von Talenten und das Erkennen von Grenzen werden die eigene Handlungsfähigkeit und Selbsteffizienz bewusst. Ein vertrauensvolle Atmosphäre erleichtert die zeitnahe Reflexion gewonnener Eindrücke. Das Kind kann im generationenübergreifenden Dialog lernen, seinen »Wissensbedarf« präzise formulieren zu können. Das Internet ist dabei etablierter Ort für die schnelle Wissensvermittlung. Es dient der Rezeption und Produktion von Hintergrundwissen gleichermaßen. Erlebnisorientiert können hier Hintergrundinformationen und Lösungsansätze angeeignet werden. Durch die praxisorientierte Herangehensweise sollte die Qualität von unterstützenden Informationsquellen kritischer auf Zweckdienlichkeit, Wahrheitsgehalt und Aktualität geprüft werden. Wie ist das möglich? Vergleiche verschiedener Quellen dienen der Vorselektion. Wer ist Autor und in welchem Umfeld präsentiert er sich? Eine zum Inhalt passende Domain und plausible Kontaktdaten sind notwendig. Ein Austausch in Internetforen über relevante Inhalte legt Gedanken und Vorbehalte offen. Die eingeschränkte Transparenz von Lernprozessen und die Akzeptanz informeller Wissensvermittlung im qualifikationsorientierten Umfeld werden kontrovers diskutiert. Das didaktische Lernen ist hingegen strukturiert und orientiert sich an einer erfolgsversprechenden Methodik. Es kann als formales Lernen in speziellen Bildungseinrichtungen organisiert sein und dient dem Erwerb von anerkannten Abschlüssen bzw. Befähigungsnachweisen. Beabsichtigte Lernprozesse in eigenen planvollen Tätigkeiten, mit bestimmten Lernzielen in bestimmten Lerneinheiten sind eine weitere Möglichkeit, die nicht zwingend von einer Lehrperson unterstützt sein muss (nicht-formales Lernen).
Der didaktische Lernbereich kann durch das Sammeln neuer Erfahrungen und Erkennen von Potenzialen im informellen Zugang mit der strukturierten Lernwelt verzahnt werden. Heranwachsende entschlüpfen aus der Hülle des Kindes in die wachsende Verantwortung. Es werden die Weichen für ein erfolgreiches Leben in Interaktion und Zugänglichkeit für das soziale Umfeld gestellt!
Regelmäßige Rückmeldungen und Unterstützung zur Aneignung einer Medienkompetenz sind wichtig, um über der »Maschine« zu stehen, sie nutzbringend in das Lernkonzept zu integrieren und den angestrebten Zeitrahmen einzuhalten. Zwischenmenschlich erschwert die Leistungsgesellschaft Lernprozesse teilweise durch eine scheinbare Kluft zwischen »Stärkeren« und »Schwächeren«. Der Ort des Lernens muss es ermöglichen, Schwächen zu zeigen, Unterstützung zu erfahren und sie zu überwinden. Eine frühe Auslese kann ein Kind schädigen und ihm die Möglichkeit zur Entwicklung nehmen. Die Möglichkeit von individuelleren Lernangeboten und –zielen als Reichtum eines gemeinsamen Lernprozesses ist leider nicht immer gegeben. Toleranz, Verantwortung, Motivation und Akzeptanz sind zweckdienliche Ziele, um den einzelnen zu fördern. Inklusion statt späterer Integration!
Das Formulieren von Ängsten und Erkennen als Teil des Lernprozesses muss trainiert werden. Sie soll kein mit Häme besetzter Makel sein. Konkrete Unterstützungsangebote bei schwierigen Passagen und der Umgang mit Tiefs sollten Eltern daher anbieten oder gemeinsam mit Bildungsträgern entwickeln. Die bewusste Einschätzung, Bewertung und Selektion von Informationen auf ihre Zweckdienlichkeit ist wichtig. Die Frage ist: »Was kann ich auf welchem Weg schnellstmöglich erreichen?« Eltern könnten sich auf die Schlüsselkompetenzen für erfolgreiches Lernen konzentrieren. Abstraktionsfähigkeit, Auffassungsgabe, Entscheidungsfähigkeit, analytische Fähigkeiten, sprachlicher Ausdruck, um nur einige zu nennen. Die Kombination aus Freiräumen zur Entfaltung und Verbindlichkeit von Lerninhalten ist durch Überwachung der Arbeitsergebnisse zu optimieren. Arbeitsgemeinschaften, Schülerprojekte, Hilfsangebote, Leistungskurse etc. sollten leistungsgerechte und strukturierende Ergänzung sein.
Neugier ist der Motor zu lebenslangem Lernen. Mut und Entscheidung für Neues lässt Flexibilität in der Denkweise zur Quelle von persönlichem Wachstum gedeihen. Erziehung ist die Saat, mit fruchtbarem Boden so umzugehen, dass eine reichhaltige Ernte eingefahren werden kann. Eine spannende Reise, die Eltern nicht versäumen sollten. Wegbereiter oder Wegbegleiter? Die Frucht ist ein aufblühendes Kind, das sich seiner Fertigkeiten und Fähigkeiten selbst bewusst ist und die Gemeinschaft, das System nutzt, um im eigenen Handeln, dem heranwachsenden Leben idealerweise das Glück der Selbsterfüllung findet und genießt. Den anderen verstehen, mit ihm kommunizieren, Gemeinsamkeiten entdecken und ein Quäntchen Mut, öffnet Türen in neue Lebens(t)räume, die hinter keinem »digitalen Schloss« versteckt sind.

T.N.